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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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»Patin« Marianne Oppel, Vermittlerin zu Behörden und Entscheidungsträgern in den Ministerien – bekam ich endlich eine bessere Wohnung zugewiesen. Wieder war sie ohne Telefon, zwar mit Bad und Fernheizung, aber im vierzehnten Stock einer Platte, da wohnten wir über den Vögeln, die unten kreisten.
    Ich bekam 500 Mark pro Aufnahme eines Titels, der bei Amiga erschien, also im Schnitt 6000 DDR-Mark pro Platte. Zum Nachrechnen: Wäre ich mit nur 1,50 an jeder verkauften Platte beteiligt gewesen (mit einem Zehntel des Verkaufspreises also), wären das bei insgesamt 1,5 Millionen Stück, die allein in der DDR verkauft wurden, 2,25 Millionen DDR-Mark gewesen, die mir zugestanden hätten. Um dieses Geld hat mich der Staat betrogen.
    Marianne Oppel, eine überzeugte Anhängerin der sozialistischen DDR, sagte einmal zu mir: »Sie streicheln dich und gleichzeitig stellen sie dir ein Bein. Sie schubsen dich voran, dann halten sie dich wieder zurück.« Ich sprach bei Amiga vor und versuchte, eine Lizenzierung – wie sie international üblich war – durchzusetzen. Das wurde abgelehnt. Einen Manfred Krug haben sie nicht so behandelt. Aber ich weiß, dass es Tamara Danz, die sich ein paar Jahre nach mir über die finanzielle Minderbeteiligung empörte, genauso erging wie mir: Wir waren die ungeliebten Kinder, die nicht geschickt genug antichambrierten.
    Mag sein, dass das Teil unseres »Jobs« gewesen wäre, aber wir waren Musiker! Wir interessierten uns nicht wirklich für das Ideologische, wir sprachen nicht die Sprache des Politbüros, wir redeten und dachten wie die Menschen, für die wir Musik machten. Wir wollten nicht instrumentalisiert werden – und hatten doch kaum eine Chance. Wir wurden politisch und finanziell vereinnahmt.
    Erst seit der Wiedervereinigung gilt auch für uns Ex-DDR-Musiker der ganz normale Leistungsschutz. Ein später Ausgleich immerhin, da mein altes Repertoire heute noch gefragt ist. Dass man im Westen ebenfalls instrumentalisiert wird, wenn auch auf andere Weise, sollte ich später erfahren.
    Einstweilen entwickelte ich mich in den Jahren der großen Erfolge zu einer ernstzunehmenden Interpretin, zur Frontfrau – was die Presse schon früh in mir gesehen hatte. Damals verstand ich mich ausschließlich als Musikerin, nicht als Entertainerin, um das passende amerikanische Wort zu verwenden. Mitten im Strom, in einem Interview mit der Zeitschrift Freie Welt aus dem Jahr 1977, sagte ich etwas zu meiner Arbeit und meinem Lebensgefühl, das als Motto gelten könnte für jene Aufstiegszeit:
    »Ich habe in meinem Beruf schöne und schlechte Erlebnisse, und manchmal frage ich mich: Warum hast du bloß keinen anderen Beruf gelernt? Aber insgesamt sind es doch mehr schöne Erlebnisse, auch wenn es sehr anstrengend ist. Schön, weil ich mehr leben muss! «
    Pinkelpause im Böhmischen Wald
    Nach all den schnellen und großen Erfolgen der ersten Lieder, der LP Veronika Fischer & Band und den Konzerten bekamen wir 1976 das erste Angebot von der Künstleragentur der DDR für eine Tournee durch Rumänien. Es sollten zehn Konzerte in den größten Städten des Landes stattfinden, unter anderem in Bukarest und Brasov. Wir freuten uns darauf, weil wir in den wichtigsten Spielstätten des Landes gastieren sollten, obwohl es eine heftige Herausforderung an die Logistik war. In ganz Rumänien stand keine Technik zur Verfügung, das hieß: Alles mitnehmen, was vonnöten war, von der PA bis zur Lichttechnik. Auch der Transport musste von uns organisiert werden. László war gefordert. Nichts konnte die Künstleragentur Rumäniens zur Verfügung stellen, keinen LKW für die Technik, keinen Kleinbus für den Personentransport. Alles mussten wir mitbringen.
    Wir hatten damals nur ein Gefährt, einen Barkas, wie diese Sorte Kleinbus in der DDR genannt wurde. Er hatte keine Servolenkung und war auch sonst nicht leicht zu bedienen. Eigentlich musste man, um dieses Auto zu fahren, vorher ins Fitnessstudio. Das begriff ich, als ich zum ersten Mal am Steuer des Wagens saß. Wer von uns konnte ihn fahren? Ausgeschlossen, extra noch Fahrpersonal zu beauftragen – dafür war bei unseren Gagen kein Geld übrig, abgesehen davon, dass wir jeden Platz im Wagen brauchten, denn wir mussten ja schon den Tourbegleiter von der rumänischen Künstleragentur mit unterbringen. László und ich waren anfangs die Einzigen Führerscheinbesitzer; nach Auftritten blieb es meistens an mir hängen, meine überfröhlichen Musiker nach Hause zu

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