Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
kutschieren. Da ich aber gemeinsam mit meinen Bandkollegen nach Bukarest fliegen sollte, musste eine andere Lösung her. Es traf Tibi, unseren ungarischen Tontechniker, der innerhalb von vier Wochen seinen Führerschein machen musste. Und es klappte!
Aber schon tat sich das nächste Problem auf. Beim Beladen des Barkas wurde schnell klar, dass wir ein zweites Fahrzeug brauchten bei all dem, was zu verstauen war. Nun konnte man in der DDR natürlich nicht einfach in ein Geschäft gehen, einen Kleinbus kaufen und sich im Vorbeigehen auch noch die polizeiliche Genehmigung dafür beschaffen. Trotzdem musste ein Bus her. László ließ seine Kontakte spielen und schaffte es irgendwie, einen zu ergattern, schwarz natürlich. Jetzt hatten wir zwar zwei Kleinbusse, aber nur einer war angemeldet, also gab es auch nur die Kennzeichen für einen Bus.
Not macht erfinderisch. Wir brachten ein Kennzeichen an dem einen Bus vorn an, das zweite am anderen Bus hinten. Durch die DDR rollten László und Tibi behäbig als Kolonne, niemand hielt sie auf. Kurz vor der Grenze hielten sie an und schraubten beide Kennzeichen an einem Bus fest. So ausgestattet passierte der Bus problemlos die Kontrolle. Hinter der Grenze wurden die Kennzeichen unauffällig entfernt, der Fahrer lief nach einer gewissen Zeit zurück, ging als Passant über die Grenze und brachte die Kennzeichen am zweiten Bus an.
So etwas hatte nur László einfallen können. In unserer Band lernten wir voneinander, und die sozialistische Brudergemeinschaft wurde durch uns auf ganz besondere Weise lebendig!
Dieses Spielchen, das ziemlich an die Nerven ging, wurde an jeder Grenze wiederholt – von der DDR in die Tschechoslowakei und von dort über Ungarn nach Rumänien. Die Fahrt bis nach Bukarest war lang, bei László und Tibi ging es an die Leistungsgrenze.
Als wir alle in Bukarest angekommen waren – wir Musiker hatten dorthin fliegen dürfen –, wurde dann alles Weitere organisiert. Die Technik wurde so verteilt, dass wir in einem der beiden Busse noch zwei Sitzbänke für jeweils drei Personen frei hatten. Alles war zentimetergenau berechnet. Wir waren fünf Musiker, dazu an Geräten Piano, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesangsverstärker. Hinzu kam der Vor-Ort-Betreuer der rumänischen Künstleragentur, also zehn Personen im Ganzen. Ich erinnere mich gut daran, wie sich unser Betreuer immer wieder den Schweiß abwischte. Es war eng und stickig und der arme Mann durchaus nicht schmal, wir saßen knapp nebeneinander in dem bescheidenen, nicht klimatisierten Bus. Vorn in den beiden Bussen nahm neben dem Fahrer noch jeweils ein Techniker Platz.
Dann konnte es endlich losgehen. Unsere Tour führte uns durch ein Land, das eine Armut ausstrahlte, wie ich sie bis dahin nie gesehen hatte und auch später nicht sehen sollte, als ich in alle anderen Gebiete des sozialistischen Raums reiste. Ein Lebensniveau an der untersten Kante. Kleine Lehmhütten, bescheidenste Tierhaltung, die Häuschen in den ländlichen Gegenden Rumäniens standen für mich unerklärlicherweise meistens im Wasser, auch bei Trockenheit und Sonnenschein. Nur die Gebiete mit alteingesessener deutscher Bevölkerung, den Banater Schwaben, machten einen etwas besseren Eindruck.
All das beeindruckte mich nachhaltig. Ein landschaftlich wunderbares Land mit herzlichen Menschen trotz der bitteren Armut. Es war die Zeit der Diktatur von Chauchesku oder Ceau ş escu, wie man ihn hierzulande schreibt. Die Bedrückung war allerorten zu spüren.
Bei unseren Auftritten nahmen die Menschen uns warmherzig an, unsere Musik stieß auf große Resonanz. Wie schon im Kis-Stadion von Budapest bemühte ich mich, meine Zwischenansagen in der Landessprache zu halten. Das machte ich mir für alle Tourneen zu eigen. Ich übte die Aussprache mit einem Einheimischen, ließ mir die Ansagen übersetzen und lernte sie auswendig – im Rumänischen geht das sogar einigermaßen leicht. Ich war froh, dass ich mich verständlich machen konnte, und meine Ansagen brachten uns Sympathien ein, die unserer Musik mit den deutschen Texten nur guttat. Ich hatte ein wenig Nähe geschaffen zwischen uns als »Vertretern« der westlichen Kultur (hier gehörte auch der Ostteil Deutschlands dazu) und unserem rumänischen Publikum. Und nicht zuletzt war es sicher unsere gute Musik, die die Herzen öffnete. Musik braucht keinen Dolmetscher, das ist das Schöne an ihr!
Später bei anderen Auslandsreisen machten wir allerdings auch die Erfahrung, dass
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