Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
wichtig. Unsere Kleidung wurde jetzt eigens entworfen und finanziert.
Das Kleid stand mir, aber fremd blieben mir Anlass und Umgebung, der Alltag der Berufsunterhalter hier. Eine glatte Welt, sauber, freundlich und angepasst nett. Ich hatte Magengrummeln. Hier bin ich doch nicht zu Hause? Meine Welt ist eine andere Bühne!
Aber ich hatte eingewilligt, es gab kein Zurück – »Kinderzeit ist lange her…«
Am folgenden Tag dann sollten wir die DDR angemessen vertreten. Der Saal war gefüllt, das Publikum angeklatscht, die Kameras standen auf Start, die Instrumente waren gestimmt, das Orchester bereit, der Dirigent hob den Taktstock für den Auftritt des ersten Solisten.
Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle wir dran waren, irgendwo in der Mitte des Abends, die Wartezeit erschien mir endlos. Wie damals im Zug nach Dresden zu meiner Aufnahmeprüfung lief ich pausenlos hin und her. Das ist meine Art, das Lampenfieber abzubauen, dabei singe ich mich ständig ein und konzentriere mich. Auftritte wie dieser waren mir damals noch etwas unheimlich. Aber alles lief nach Plan. Die Stimme hielt, was ich von ihr erwartete, sie leistete sogar noch mehr.
Bei großer Anspannung muss man aufpassen mit der Intonation, da rutscht die Stimme gern etwas höher. Egal, in welcher Verfassung man ist, man muss den gewünschten Gesangston immer passend zur Tonhöhe der Instrumente treffen, nicht darunter, nicht darüber, sonst klingt es schräg. Ich rutschte nicht, meine Stimme hielt, alles war gut. Ich habe mir den Mitschnitt des Abends kürzlich angesehen und war überrascht, wie souverän ich klang. In mir sah es ganz anders aus. Ich glaube, ich hätte Bäume ausreißen können, so unter Spannung stand ich. Ein kleines Wunder, wie jedes Mal eine Automatik einsetzt und im Inneren wie von allein diese Spannung entsteht, die einen über die Klippen trägt. Eine Art von Stress, die wichtig und nötig ist. Man kann auch Lampenfieber dazu sagen – aber der Angstanteil darf nicht überstark werden, sonst hat man sich nicht mehr im Griff.
Es war auszuhalten an diesem Abend.
Nach dem Auftritt ging es mir natürlich besser. Wenn etwas gelingt, entsteht Euphorie, und wenn nicht, sehr schlechte Laune. Es war mir (und uns) gelungen, dieses neue Lied gut zu performen – um es mal neudeutsch zu sagen. Und mir war erst mal wurscht, ob wir einen Preis wegtragen würden oder nicht. Wir hatten eigentlich alle Preise des Landes bekommen, waren »in« und verwöhnt – aber natürlich hofften wir trotzdem. Es gelang – auch bei diesem Songfestival der sozialistischen Länder in Dresden gab es den ersten Preis.
Franz Bartzsch und Kurt Demmler gewannen ihn, es war ja ein Wettbewerb um das beste Lied.
Ich habe es interpretiert.
In einem Moment wie dem des Jubels nach unserer Aufführung der »Schneeflocke« im Dresdner Kulturpalast vervielfältigen sich die Angebote und Möglichkeiten wie von selbst. Der Kommerz klopft an die Tür. Über die Verabredungen, die man dann trifft, verliert man leicht den Überblick. Vermittler, Koordinatoren, vertraute Menschen wie László oder meine »Patin« Marianne Oppel sind dann nötiger denn je.
1976 standen gleich zwei internationale Liederfestivals auf dem Plan: Anfang Juni der Goldene Orpheus in Bulgarien und Ende August das Festival im polnischen Sopot. Kurz zuvor gab es in unserer Band einen Wechsel. Für Eberhard Struck, genannt Gurke, kam Hansi Biebl. Ein hochkarätiger Gitarrist, der für Plattenaufnahmen auf Gurkes Wunsch eingesprungen und dann geblieben war. Mit Hansi und Franz agierten nun zwei kreative Motoren in der Band. Hansi brachte einige schöne kompositorische Ideen ein. Gleichzeitig fiel es ihm schwer, sich anzupassen – es ist nicht leicht, sich in eine Formation zu fügen, wenn man selbst schon eine geführt hat. Genauso schwer ist es für die »Alten«, die angestammte Rolle aufzugeben, mehr Gleichberechtigung zuzulassen. Zwischen Hansi und Franz kam es in der Folgezeit immer wieder zu Reibereien, was die »Cheffrage« anging. Gern werden solche Spannungen dann in Bereiche verlagert, die mit der Wurzel des Übels nur mittelbar zu tun haben: Wenn es ums Geld geht zum Beispiel oder wenn Dritte stellvertretend den Ärger auf sich ziehen. Im Grunde weiß jeder Beteiligte aber, dass es eigentlich nur darum ging, sich etwas zurückzunehmen…
Wir übten uns also in Gemeinsamkeit – und gingen auf die Reise nach Bulgarien, wo wir im Sommertheater des Kurortes Slántschew Brjag am Schwarzen
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