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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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geheimen. Die Offiziellen drüben verlangten, dass sie ihr jugendliches Publikum mit Staatstreue impfte. Die Rebellenführer erwarteten, dass sie Aufruhr zwischen die Zeilen streute. Und hier warten alle darauf, dass sie das Unterdrückung nennt und beteuert, jetzt endlich frei zu sein.
    »Ich bin ein neuer Mensch«, hat sie auf dem Album » Staunen« gesungen. Wer sie kennt, kann hören, dass sie sich das selbst nicht geglaubt hat beim Singen.
    Sie muss an ihren Vater denken, der ein Hobbyimker war. Zehn Völker hatte er sich zugelegt und im Garten ein kleines Holzhäuschen gebaut. Er war total verliebt in seine Bienen und versuchte seinen Töchtern diese Leidenschaft nahezubringen. Er trug einen klassischen Imkerhut und paffte ein Pfeifchen, wenn er über den Bienen war. Sonst rauchte er nicht. Ein Summen und Brummen war das, und für die Familie dann schnell ein Bereich, um den sie einen großen Bogen machte. Natürlich wurde immer mal jemand gestochen. Übel war es, wenn die Viecher sich im Haar verfingen. Man rannte wie von der Tarantel gestochen, das half aber wenig, die Bienen waren schnell.
    Kein Mensch hätte ihn gefragt, ob ein tieferer Sinn hinter diesem späten Hobby stand. Das Ziel? Honig! Das Warum? Beschäftigung. Etwas tun, um es erleben zu können und geschickter zu werden darin. Natürlich auch, um zu naschen.
    Kein Mensch fragt sie hier in dieser Gartenkolonie, was sie eigentlich bezweckt und wofür sie da ist. Manchmal hat es sie gekränkt, dass niemand sie hier kannte – die offizielle Version von ihr, die Berühmtheit. Jetzt denkt sie manchmal, wenn nur alle so wären wie ihre Schrebernachbarn. Dann könnte sie eine richtig gute Sängerin sein, auch hier im Westen – jemand, der seine Kunst versteht und sie vervollkommnet. Ohne sich ablenken zu lassen.
    Die kleinen Pflänzchen, die sie heute morgen gesetzt hat, lassen ihre Köpfe hängen. Im nächsten Regensommer wird man sich sehnsüchtig an das Wetter vom Jahr zuvor erinnern, über das man jetzt so stöhnt. »Wenn unsre Kinder später mal sagen, früher sei alles besser gewesen, dann meinen sie jetzt«, denkt sie laut und muss grinsen.
    László und Benjamin kommen zurück. Die Sonne hat auf dem kurzen Weg ihre Haut fast wieder getrocknet. »Mami, Mami, ich war ein Delphin«, jubelt Benjamin. »Reibt euch ein«, sagt sie und holt die Tube mit Sonnencreme, »ich reib euch ein.«
    Erbarmungslos heiß, seit Wochen. Es ist das gleiche Licht wie an der Ostsee, Usedom vor über zwanzig Jahren, als die zweijährige Kerstin einmal verloren ging. Lange war sie damals den Strand auf und ab gelaufen, hatte sich einen Weg gebahnt durch all die Fremden, war immer unruhiger geworden, bis sie die Schwester endlich fand. Das Kind stand allein am Meer, blickte aufs Wasser und weinte. Die Menschen waren achtlos vorübergegangen, niemand hatte sich für ein zweijähriges heulendes Mädchen interessiert. Das Wichtigste: Es war nichts geschehen. Sie hob ihre Schwester hoch und trug sie überglücklich und stolz zurück zur Familie.

    »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«
    Während wir uns einlebten, befasste sich die Presse mit meinem Neuanfang. Es kam nicht überraschend für mich, aber der locker-flockige Ton der Zeitungsschreiber auf der westlichen Seite ließ mich manchmal schon etwas schlucken:
    »Das Mädchen, das von Goldenen Brücken sang, brach die Brücken zur Vergangenheit ab« ( BZ , 30.9.81).
    »Noch hat ihr Golf eine Ostberliner DDR-Nummer, noch lässt sie unverkennbare Ostvokabeln wie ›Be-Er-Dae‹ und ›Kinderkrippe‹ fallen, aber die Rock-Lady ›auf sozialistisch‹ gibt es nicht mehr« ( Bunte Illustrierte , 22.10.81).
    Die Selbstverständlichkeit, wie man hier den Teil für das Ganze nahm, fand ich auch beeindruckend:
    »Die zwar personenreiche, aber etwas eintönige deutsche Schlagerszene hat eine neue Stimme: Veronika Fischer. Die junge Künstlerin, seit Jahren in der DDR bekannt, wechselte kürzlich in die Bundesrepublik« ( Vorwärts , 17.11.83).
    Die nötigen Antworten und Widerworte fand ich am Anfang dagegen manchmal nicht ganz so schnell. Da hätte ich manchmal gern anders gewollt – noch hatte ich nicht den Überblick zu einer Meinung.
    Moderator: »Frau Fischer, es ist natürlich noch zu früh, um eine Bilanz zu ziehen. Trotzdem die Frage: Gibt es denn, oder können Sie schon Unterschiede feststellen zwischen der Musikszene hier bei uns und der in der DDR?«
    VF: »Ja, man kann eigentlich sagen, es ist so, dass ein Künstler

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