Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
ist, wie man Erfolg hier haben kann, und das schnell. Laut und grell und scharf. Das hat die Nina sehr bewusst und, glaube ich, auch sehr klug getan, das ist auch genau das gewesen, was ihr zu Leibe steht und was sie kann. Ich bin ganz anders, und ich werde auf alle Fälle textlich ganz anders sein als Nina und auch musikalisch…«
Aus heutiger Sicht denke ich: Ich kam mit einem fertigen künstlerischen Profil und konnte es so nicht mehr fortführen. Nina Hagen stand am Anfang ihrer Karriere und entsprach viel besser den medialen Vorstellungen.
Von Vergleichen halte ich aber eigentlich gar nicht viel.
Apropos Vergleiche: Gleich bei meiner zweiten Begegnung mit Siggi Loch in Hamburg bei der WEA bemühte man sich zu erkunden, wem ich denn musikalisch ähnlich sei. Zum ersten Mal genügte ich selbst den anderen nicht, sodass es nötig war, eine Orientierungsmarke für mich zu schaffen. Siggi Loch verglich mich mit Carly Simon, das schien ihm und seinen Untergebenen gutzutun für ihre Arbeit.
Damals hatte ich nicht den Mut zu sagen: Hört euch meine Musik an, reicht das nicht? Die Vergleichssucht zog sich hin bis zur Wiedervereinigung, von da an stand ich wieder für mich selber ein.
Lasst Originale zu!
Nach einer Trainingsphase in Interviews und nach dem Zusammenbruch der DDR sieben Jahre später, im Chaos der Nachwendezeit, flossen plötzlich die Formulierungen aus mir heraus. Ich muss mich sicher, vertraut sogar gefühlt haben, als ich einer ostdeutschen Zeitschrift namens dabei exklusiv kurz vor meiner ersten Tournee durch die offene DDR auf die ziemlich weltfremde Frage, warum aus mir kein internationaler Star geworden sei (wenn ich denn schon abgehauen wäre), folgende glasklare Sätze sagte, die ich heute noch genauso unterschreibe: »Es ist sehr schwer, drüben zu klären, dass es zwischen Chanson, Rock und Schlager noch so vieles andere gibt. Es ist keine Freude, ein deutscher Künstler zu sein im Popbereich – das ist die Wahrheit. Es gibt keine Zuneigung zur eigenen künstlerischen Nationalität, alles wird mit Abstand beguckt. Das mag seine Ursachen im Identitätsverlust der Deutschen nach 1945 haben. Worte wie Nationalität, Heimat sind belastet, die Sprache überhaupt. Doch singen kann ich halt am besten in der Sprache, in der ich denke und fühle.«
Manchmal gab es aber auch Artikel, in denen ich mich verstanden fühlen konnte. Und wo der Konflikt, den ich gerade benannte, begriffen wurde. Zwangsläufig mussten das leise Artikel sein, und die sie schrieben, hatten es in der Schar ihrer lauten Kollegen schon damals bestimmt nicht einfach. Heute, noch einmal zwanzig Jahre später, hat ein leiser, abwägender Journalist wahrscheinlich fast den Beruf verfehlt. Er steht so traurig da wie ein stotternder Lehrer.
Hier ein Ausschnitt aus einem Porträt über mich von Ulrich Olshausen in der FAZ vom 5. Mai 1984: »Sie stand nun nicht als Verstoßene, zu leicht Bekleidete in den eisigen Winden des Kapitalismus, das nicht – schließlich hatte sie schon eine ganze Zeitlang hier gelebt. Aber der Wechsel war eben doch hart. Veronika Fischer vermisste die Stallwärme, die familiäre Atmosphäre in den Studios, die langsamere Gangart und auch die Popularität. Sie fühlte, dass sie im gnadenlos übervölkerten Showbusiness West allen im Weg war. Die Usancen der Branche – die Angebote von Sex-Magazinen etwa oder die Notwendigkeit, sich selbst anzupreisen – widerten sie an. Hier Fuß zu fassen konnte ihr nicht so leicht fallen wie einem Wolf Biermann, dessen Ausbürgerung sozusagen live im Fernsehen gesendet wurde, oder wie einer Nina Hagen, deren unermessliche Exaltiertheiten eine verlässliche Basis von kommerziell verwertbarer Skandalträchtigkeit schufen. Das Temperament der Veronika Fischer ist ein ganz anderes: lyrisch, zurückhaltend, irgendwo zwischen Mädchen und Dame, ganz Stimme und Musik. (…) Einen apokalyptischen Text über Umweltzerstörung trägt sie schon jetzt auf einem zerknitterten Zettel mit sich herum. Vielleicht werden ihr bald die denkenden, dichtenden und Noten schreibenden Köpfe der Nation ihre Produkte zu Füßen legen, so wie das früher einmal mit Judy Collins geschah.«
Neues Lied, neues Glück
Wenn ich in Hamburg produzierte, waren kaum noch schwarze Limousinen hinter mir her, vermutlich war dort das Ausspähen kostenintensiver. In Berlin sah ich sie dauernd, und das zerrte an meinen Nerven. Ich hatte Gerüchte gehört, dass einige Sportler ihren Weggang aus der DDR mit dem
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