Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
seine Karriere in der DDR vor allen Dingen erst live und dann mit Schallplatten aufbaut, und hier ist es umgekehrt. Da fängt man mit einer Platte an und dann arbeitet man live.«
Mod.: »Und was den Inhalt Ihrer Lieder angeht, gibt’s da große Veränderungen?«
VF: »Im Prinzip nicht. Ich singe weiterhin Gefühle und alltägliche Probleme, aber die Sprache hat sich schon etwas verändert. Sie ist etwas direkter als in der DDR.«
Mod.: »Ja, das werden wir uns gleich anhören. Frau Fischer, Sie sind so lieb und gehn schon mal da rüber. Danke…« (TV-Sendung vom 20.11. 81).
Und während Millionen Menschen mich jetzt nur noch durch Westmedien, aber nicht mehr im »einheimischen« Radio und Fernsehen wahrnehmen durften und deshalb auch die Zusammenhänge nicht verstehen konnten, weshalb ich etwas tat oder unterließ – und mich deshalb als Fremde oder Verräterin sahen oder, wenn sie besonders staatstreu waren, für eine geldorientierte Abhauerin hielten, der ihre Privilegien zu Kopf gestiegen waren (so etwa Reinhard Lakomy in seinem Artikel in der Jungen Welt im Herbst 1981), sammelte die Stasi über mich immer noch, was sie kriegen konnte. Für diese Behörde war ich nie eine Fremde – die taten alles dafür, dass ich ihnen nah und vertraut blieb.
So ließ sich ein Informant über den Besuch einer Freundin, der Sängerin Aurora Lacasa, bei uns zu Hause im Wedding aus: »Weiter berichtete die Lacasa, dass die Fischer beabsichtigt, einen Laden zu eröffnen, in dem sie Waren zum Bereich Musik und Freizeitgestaltung verkaufen will, u.a. auch von ihrer Schwiegermutter gefertigte Stricksachen. Damit sieht sie auch eine Möglichkeit, bei ausbleibendem künstlerischem Erfolg einen gesicherten Lebensunterhalt zu erhalten« (HA XX/7, 10.2.1982).
Ein gesichertes Auskommen hatte ich, nebenbei, zum ersten Mal erstaunlicherweise in Westberlin. Die Vorstellung, einen Wollladen eröffnen zu müssen, entsprang dann wohl eher einem sehr klischeehaften Bild von den Härten des Kapitalismus oder war eine nicht ernst gemeinte Anmerkung.
Drei Jahre später dann diese Aktennotiz – wer Beispiele für Treue auch in schweren Zeiten sucht, sollte sich an das MfS erinnern:
»24.9.1984. Durch eine zuverlässige inoffizielle Quelle wurde folgendes bekannt:
Während eines Aufenthalts der ehemaligen DDR-Bürgerin Claudia Ninnig-Perez (z.Zt. wohnhaft in Cuba) in der DDR besuchte diese in Westberlin die Veronika Fischer und ihren Ehemann László Kleber in ihrer Wohnung. Die Ninnig sei entsetzt gewesen über das Verhalten der Fischer und des Kleber, denn beide hätten nur von sich berichtet, ihrem Lebensstandard, Neuanschaffungen usw. Ihr ›Aufenthalt‹ in der DDR wurde von Kleber als vertane Zeit dargestellt.«
Für László war es das allerdings, denn seine Arbeitskraft wurde genauso vereinnahmt wie meine letztendlich. Ich konnte wenigstens meine Musik bis heute mitnehmen.
Wer weiß, was wir uns an diesem Abend wirklich erzählt haben – Claudia kam gerade aus Kuba zurück, sie lebte dort mit ihrem kubanischen Mann und ihrem Sohn in bescheidenen Verhältnissen wie alle in Kuba. Die Extreme waren sicher da. Nach Jahren kam sie nach Deutschland zurück. Übrigens bin ich mit Claudia Ninnig bis heute befreundet, da kann der Schock nicht so groß gewesen sein.
Auf der anderen Seite in den Westmedien immer die Suche nach Anklagepunkten. Nach Berichten über Zensur. Zwangsmaßnahmen.
Moderator: »Welche Texte durchgehen, das wurde [in der DDR] also im Lektorat entschieden?«
VF: »Das wird im Lektorat entschieden, dort wird das vorgelegt. Nur, ich muss dazu sagen, dass man hier zwar großzügiger ist mit Texten, aber hier gibt es die Firmen, die auch ihr letztes Jawort geben« [eingeblendeter Gesang: »Ich bin ein neuer Mensch…«].
Etwas später im gleichen Interview:
VF: »Ich arbeite zurzeit auch mit Christian Kunert zusammen und Gerulf Pannach, das sind beides Liedermacher, die auch in Berlin arbeiten, auch ehemalige DDR-Bürger…«
Moderator: »Aus der Biermann-Ecke?«
VF: »Nein, aus der Renft-Ecke, würde ich sagen, aus der Renft-Ecke!«
Und am Ende des selben, sehr ausführlichen Interviews im RIAS Berlin wurde ich noch nach Gründen für den immensen Erfolg von Nina Hagen gefragt. Ich drehte den Spieß einmal um.
VF: »Muss man hier greller auftreten, um gesehen oder gehört zu werden, ja?«
Moderator: »Um aufzufallen, ja.«
VF: »Um aufzufallen. Auf alle Fälle hat die Nina diese Seite gezogen, die genau die
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