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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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nicht leicht, in dieser Atmosphäre Inspiration für die Stücke zu entwickeln. Wie viele Künstler brauche ich ein kreatives Miteinander, erst dann kann ich zur Höchstform auflaufen.
    Am ersten Studiotag sang ich vier Songs ein, was nicht wenig war. Doch Herr Busse war enttäuscht – Hans Hartz, mit dem er öfter arbeitete, würde immer alles an einem Tag wegschaffen. Tja, ich möchte aber auch nicht so klingen wie Hans Hartz, dachte ich, ich bevorzuge Klang, nicht bloß bei der Band, auch in meiner Stimme.
    Nach der Arbeit ging hier jeder brav nach Hause oder ins Hotel. Schade, früher hätten wir uns noch etwas zusammengesetzt und den Tag in einem Restaurant ausklingen lassen, wir empfanden das als wichtig für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Hier verzog sich jeder in die eigenen vier Wände. Professionelles Abarbeiten, richtig kennenlernen kann man sich so nicht.
    Mit dieser LP hatte ich den ersten Achtungserfolg im Westen. Heute ist sie Kult geworden. So geht es also auch.

    Etwa vier Wochen nach der Veröffentlichung klingelte mein Telefon, WEA-Chef Siggi Loch war dran. Der Vorentscheid zum Eurovision-Song-Contest 1983 stand an, und das Gremium hatte zwei Titel aus meinem Album ausgewählt: »Wir beide gegen den Wind« und »Unendlich weit«. Einen Song sollte ich präsentieren, den anderen Wencke Myrhe.
    »Na, das ist ja eine Überraschung. Und wer singt welchen Titel?«
    »Du singst ›Unendlich weit‹ und Wencke zusammen mit ihrem Sohn ›Wir beide gegen den Wind‹.«
    Ich holte tief Luft: »Dann ist aber jetzt schon klar, dass ich keinen Erfolg haben werde. ›Unendlich weit‹ ist eine zu schwierige Ballade für ein großes Publikum. ›Wir beide gegen den Wind‹ ist viel gefälliger.«
    »Du sagst doch immer, dass du keinen Schlager machen und trotzdem Platten verkaufen willst«, konterte Siggi Loch prompt.
    Ein Widerspruch war nicht möglich, es war alles gesagt.
    Ich schluckte die Kröte und wusste, wie es ausgehen würde. Bisher war meine Haltung gewesen, bei Wettbewerben, an denen ich teilnahm, auch den Sieg anzustreben. Nun musste ich lernen, um die Ecke zu denken. Denn Siggi hatte noch hinterhergeschoben, dass es dem Verkauf meiner Platten nicht schaden könnte, nicht zu gewinnen. Wer beim Grand Prix scheiterte, hätte in der Regel die Kritiker auf seiner Seite. Die mit »Anspruch«, die dann meine LP loben (und notfalls kaufen?) würden …
    Ich konzentrierte mich auf meine Stimme. Die sollte wenigstens klingen – mit erhobenem Haupt abzugehen war mein Gedanke. Für das anstehende Ereignis ließ ich mich von einer Friseuse zu einer Dauerwelle überreden. Was für ein Fehler! Mein Haar vertrug die Chemie nicht, die Spitzen brachen ab, ich musste nachschneiden lassen. Übrig blieb eine wunderbare Hausfrauenfrisur, die mir überhaupt nicht gefiel. Das passte ja prima. Die Neue im Land fuhr mit biederer Haartracht zum Eitelkeitstreffen der Unterhaltungs- und Schlagerbranche. Obendrein schwatzte man mir in München bei einer Bühnenbekleidungsberatung noch ein naturweißes wallendes Ökokleid auf, das die vollkommene Geschmacksverirrung perfekt machte. Ich fühlte mich im falschen Outfit am falschen Ort. Ich musste lernen, auf meinen Vorstellungen zu bestehen, auch im Hinblick auf mein Äußeres.
    Also gut singen, redete meine innere Stimme mir zu, damit würde ich hoffentlich punkten können, denn die Konkurrenz war überschaubar. Lake begleitete mich. Alle in schwarzen Anzügen fein gemacht. Wir waren Profis und so spielten und sangen wir auch. Im Saal bekam ich herzlichen Beifall, aber die Punkte vergaben die Fernsehzuschauer. Hinter den Kulissen war gute Stimmung. Costa, Bernd, Ingrid, alles nette Kollegen.
    Wencke Myrhe kam mit »Wir beide gegen den Wind« auf den fünften und ich auf den vorletzten Platz. Obwohl letztlich darauf vorbereitet, war das eine neue Erfahrung für mich; ich war, was Festivalplatzierungen anging, bis dahin verwöhnt gewesen. Einerseits wollte ich ja wirklich nicht auf Schlager festgenagelt werden, andererseits hätte den Leuten »Wir beide gegen den Wind« von mir gesungen sicher ebenfalls gut gefallen, und wir hätten es auch gerne gespielt. Es ist eingängiger als die Ballade, deren Zauber sich erst auf den zweiten Blick entfaltet. Und für so einen zweiten Blick ist bei einem Grand-Prix-Vorentscheid keine Zeit.
    Später sagte Achim Oppermann: »Weißt du eigentlich, dass wir ›Sehnsucht nach Wärme‹ und ›Unendlich weit‹ 100.000-mal verkauft haben?« Nicht

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