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Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)

Titel: Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Fischer , Manfred Maurenbrecher
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Livekonzerten aufbessern. Die Westmarksumme hatte für uns erst mal nach viel Geld geklungen, aber die festen Kosten waren hier natürlich höher als in der DDR, und außerdem waren in meinem Beruf jede Menge Investitionen nötig. Kleidung, Reisen und so weiter mussten finanziert werden. Weil mich die Transitfahrten belasteten – die WEA war ja in Hamburg ansässig – flog ich auch sehr viel. Allerdings unterstützte mich WEA extra, wenn es berufsbedingt nötig war.
    László hatte inzwischen die Konzertkartenverkaufsstelle Boxoffice am Nollendorfplatz übernommen. Nicht seine Herzenssache, aber ein Anfang. Nebenbei spielte er wieder Fußball und begann im Lauf der Zeit eine Ausbildung als Fußballlehrer. Das Boxoffice warf nur einen bescheidenen Zuverdienst ab, doch es war ein Beginn auch für ihn und sein Ego.
    Musikalisch suchte ich weiter nach Impulsen, wollte das Feuer wieder anfachen. Ich brauchte ein neues Repertoire, weil ich damals tatsächlich glaubte, meine »alte« Musik im Westen nicht einsetzen zu können. Was für eine Fehlentscheidung, verursacht von Beratern, die sich für up to date und professionell hielten – und im Nachhinein das genaue Gegenteil waren. Die Chance auf neue Songs ergab sich durch Christoph Busse und dem daraus folgenden Kontakt zu Achim Oppermann und Lake. Die Songs, die Achim mir vorspielte, gefielen mir schon sehr gut – endlich wieder jemand auf meiner Wellenlänge.
    Christoph übernahm die Produktion für die nächste LP Unendlich weit und schrieb dafür alle Texte. Damals wusste ich noch nicht, dass auch Achim produzierte. Vorerst kümmerte er sich um die Musik, die Arrangements und die Ausführung im Studio. In dieser kreativen Arbeitsphase entstanden Songs wie »Unendlich weit«, »Wir beide gegen den Wind«, »Der Westendpark ist noch grün«, »Halleluja, ich bleibe wie ich war«, »Blues im Blut« und »Der Clown«. Christoph schrieb Texte, mit denen ich mich identifizieren konnte und die meinem Empfinden zu jener Zeit entsprachen. Die einzige Ausnahme war vielleicht »Am Abend vor dem Sturm«. Was für ein Sturm gemeint war, einer am Meer oder ein politischer, wird nicht recht klar. Aber na ja, auf jeder LP gibt es den ein oder anderen schwächeren Song. Insgesamt war ich sehr zufrieden. Lieder wie »Unendlich weit«, eine Ballade, sang ich gern, und »Der Clown« entsprach meinem Inneren, genauso fühlte ich mich.
    Und das schöne Lied »Westendpark« mit dem Refrain »…da wachsen die Bäume bis hoch zum Himmel, komm, wir beide wir bau’n die Schaukel auf, dann schwingen wir wieder gemeinsam dort rauf« erinnerte mich an früher. An eine Kindheit, unbeschwert, unbelastet von Politik und Problemen. Damit Benjamin inmitten der Stadt wenigstens ein bisschen Grün erleben konnte, hatten wir vor Kurzem ein Gärtchen angepachtet für unseren Sonnenschein.

    Um die LP einzuspielen, flog ich wieder nach Hamburg, traf mich mit Lake, der Band, in der Achim musizierte und die in den Siebzigern selbst in Amerika erfolgreich war. Ich verstand mich gut mit ihnen. Jeder respektierte den anderen, jeder hatte schon eigene Erfolge verbucht. Die Ausgangsbasis war optimal.
    In meiner alten Band um Franz hatten Klavier und Keyboardsounds dominiert, hier waren es vor allem die Gitarren. Bei den Proben hatte ich wegen der ungewohnten Lautstärke einfach losgesungen (wir nannten es »losröhren«). Im Studio änderte sich das. Da die Musik schon aufgenommen und auf Band war, konnte ich für jeden Song die passende Dynamik wählen, was mir dabei half, meine Aussage zu finden: Wie fasse ich mich auf, wie bringe ich die Stilistiken und meine Ästhetik unter einen Hut? Kein Zweifel, es hat tierisch Spaß gemacht loszurocken, passte aber nur bedingt zur Poesie der Stücke.
    Übrigens ein Grundproblem in der deutschsprachigen Popmusik. Eine Verbindung zu finden zwischen einer angloamerikanischen Auffassung, was die musikalische Umsetzung angeht, und unserer sperrigen Sprache. Grundsätzlich ist Deutsch nicht so geschmeidig wie Englisch. Das Problem begleitete mich von Anfang an.
    Ich hörte mir zunächst die Bänder an – die Jungs hatten gut gearbeitet, alles klang. Dann ging ich in den »Glaskasten«, um die Songs einzusingen. Christoph Busse saß mit Cowboyhut und Zigarre im Mund in der Mitte des Studios, Blick auf die Glaswand des Raumes, in dem ich sang. Er war jetzt der Chef, gab Regieanweisungen. Ich hatte Mühe mit dem überraschenden Rollenwechsel, plötzlich kühle Ansagen. Es war

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