Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
Kamera machte einen kurzen Schwenk über die anderen Instrumente, aber das teure Pult war am längsten im Bild.
Die Vergangenheit hatte uns wieder.
Nach meinem Weggang aus der DDR war aus meiner Begleitband 4PS die Band Pankow geworden. Franky, Jäcki, Jürgen und Rainer hatten André Herzberg als Sänger für ihr Unternehmen dazugewonnen. In den Fünfzigern war der Begriff Pankow – ein Außenbezirk Ostberlins, in dem damals die Regierung saß – in Westdeutschland ein Schmähwort für die ganze politische Kaste der DDR gewesen (»Pankower Zwangsregime«, sagten die Kommentatoren des Kalten Krieges gern). Und Pankow war eine Band, die provozieren wollte, vielleicht war das der Grund für die Namensgebung gewesen. Bei Wikipedia lese ich, dass die Band sich zu einer »Größe der ästhetischen Subversion« in der DDR etablierte. Ablehnung des DDR-Regimes? Bei der Jugend punkteten sie damit. Auch ich fand ihre Musik aus der Ferne betrachtet interessant – aber was sich nun abspielen sollte, sprach eher dafür, dass sie von der Rechtsunsicherheit, die die Teilung des Landes mit sich brachte, ganz gut profitierten.
László hatte immer wieder versucht, bei seinen Stippvisiten in Ostberlin herauszufinden, wo unsere Anlage sich befand, mit wem er eine Übergabe besprechen und anschließend in die Wege leiten könnte. All seine Bemühungen waren immer wieder abgeblockt worden. Und jetzt war sie also hier, nur ein paar Kilometer von unserer Wohnung entfernt! Bei László brannten die Sicherungen durch. Am liebsten hätte er eine Waffe gezogen.
Am Ende hatte die Band Pankow also davon profitiert, dass ich die Anlage bei meinem Halbumzug nach Westberlin nicht mitnehmen konnte. Denn ich musste ja möglichst lange den Eindruck erwecken, ich wolle die DDR nicht verlassen und mein berufliches Leben dort fortsetzen. Wie hätte ich erklären sollen, warum ich da die PA mit über die Grenze nehmen wollte? Ich wurde doch bei jedem Grenzübertritt kontrolliert.
Als klar wurde, dass ich endgültig nicht mehr zurückkehrte, behielt Pankow die Anlage. Natürlich hatte ich nicht versucht, vor meinem letzten Auftritt im Kino Kosmos mit den Kollegen zu klären, was mit der Anlage geschehen würde. Nach dem Mauerfall erfuhr ich, dass einer meiner Kollegen bei der Stasi war – das hätte also übel ausgehen können!
Auch László war es erst einmal nicht möglich, etwas zu tun. Solange ich noch pendelte, musste er verdammt vorsichtig sein, denn die DDR-Oberen hätten ihn zu gerne dingfest gemacht wegen seiner Ausreise. Als ich meine Papiere – Visum und DDR-Staatsbürgerschaft – abgegeben hatte, konnte László zwar wieder einreisen, wusste aber nicht, wo er die Anlage suchen sollte.
Inzwischen, sechs Jahre später, hatten wir freundschaftliche Beziehungen zu Hubert Dreyling, einem Rechtsanwalt und Experten für Strafrecht aufgebaut. Er und seine Frau Susanne gehörten zu den wenigen Menschen, die wir in Westberlin vor der Wiedervereinigung schätzen lernten; bis heute haben wir uns nicht aus den Augen verloren. Wir riefen Hubert an und fragten, ob und wie wir unsere Technik wiederbekommen könnten. László wollte am liebsten sofort ins Quartier Latin fahren und alles einpacken. Hubert mahnte zur Besonnenheit und erklärte, für so etwas bräuchten wir eine einstweilige Verfügung. Und die würden wir so schnell nicht bekommen. László war völlig am Boden, ich habe ihn selten so enttäuscht gesehen.
Pankow machte also ihr Konzert in Westberlin mit unserer Technik. Dass die Mitglieder dieser Band sich hinter den Enteignungsgesetzen der DDR versteckten, eine fremde Anlage benutzten, ohne Miete dafür zu zahlen, wie es sonst jeder tun muss, wirft ein schlechtes Licht auf sie. Zumal die Enteignungsgesetze sich auf Republikflüchtige bezogen – ich aber war ganz legal mit einem Visum ausgereist.
Ich schrieb also an meinen ehemaligen Gitarristen Jürgen Ehle, den Leader der Band, sowie an deren Betreuer Wolfgang Schubert, den ich aus der kurzzeitigen Zusammenarbeit am Ende meiner Ostberliner Tage kannte. Damals hatten wir uns gut verstanden. Jetzt musste ich einmal mehr erleben, dass alle immer nur so lange nett sind, wie es ihnen etwas einbringt. In der DDR war das nicht anders als im Westen, nur noch undurchsichtiger und verschlagener.
Ich schlug eine einvernehmliche Lösung vor: Nach siebeneinhalb Jahren »mietfreier« Nutzung sollte die Band künftig eine gewisse Summe zahlen, die an meine Eltern zu überweisen wäre (sie,
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