Das Lügenlied vom Glück: Erinnerungen (German Edition)
aber auch wir hätten das Geld gut gebrauchen können), oder aber die Anlage bei meiner Schwester Kerstin in Ostberlin zur Abholung deponieren. Ich bat um baldige Antwort. Zeit verging. Keiner glaubte, dass die Mauer einmal fallen würde.
Endlich kam ein Schreiben von Wolfgang Schubert, in der Szene gern Schubi genannt. Schubi schrieb, er sei zwar nur der Betreuer: »… allerdings vertrete ich die Band in jedweder Angelegenheit (…). Im Fall Deines Briefes vom 27.12.87 wird erneut Eure Forderung erhoben, der PANKOW nicht stattgeben wird. Bitte wendet Euch mit dem konkreten Anliegen an die Pankow-Rockband, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. jur. Gregor Gysi, Müggelstraße … DDR. Einer schnellstmöglichen ordentlichen Regelung steht dann nichts mehr im Weg.« Der Brief war auf den 5. Februar 1988 datiert.
Wenn jemand mit seinem selbst verdienten Geld etwas kauft und es kurzzeitig zurücklässt, weil er umzieht, heißt das noch lange nicht, dass dieses Hab und Gut damit in den Besitz eines anderen übergeht.
Hubert Dreyling schrieb also an den Kollegen Dr. Gysi: »Angesichts eines derartigen Sachverhaltes drängt sich der Verdacht einer strafbaren Handlung auf«. Er forderte die Herausgabe der Anlage an meine Schwester.
Gebracht hat es nichts. Die Mauer war hoch und eine Wiedervereinigung in weiter Ferne.
Die Buschtrommeln meldeten, man habe den »Kollegen« empfohlen, unsere Technik schnell zu verkaufen, um einen Nachweis unmöglich zu machen. Gekauft hat sie der Technikkopf einer sehr bekannten Band, er hat es mir bestätigt.
Pankow, die Kämpfer für einen besseren Sozialismus und Vorbild der protestierenden DDR-Jugend?
Jahre auf der Insel oder meine neue Emanzipation als Musikerin
Die Insellage Westberlins mit der Mauer drumherum empfand ich als bedrückend, es fehlte der Auslauf ins Grüne, nach Brandenburg mit seiner schönen Landschaft. An den Wochenenden nahmen die Westberliner jede noch so kleine Oase der Halbstadt in Beschlag, die Parks und anderen winzigen Überbleibsel der Natur wurden von den Menschenmassen regelrecht überflutet. Mir fehlten Luft und Weite, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte. Deshalb verreisten wir oft – wie alle Westberliner. Wir trafen uns bei den Schwiegereltern in Ungarn, manchmal sogar mit meinen Eltern, die als Rentner ja reisen durften. Benjamin sollte Natur im Reinzustand kennen und schmecken lernen. Hin und wieder überlegten wir, Berlin zu verlassen. Wir hätten nach Hamburg ziehen können, wo ich viel arbeitete. Auch Köln gefiel mir. Gleichzeitig liebten László und ich Berlin wegen seiner multikulturellen Vielfalt, der Toleranz gegenüber anderen Kulturen – gerade er als gebürtiger Ungar spürte und genoss die Unvoreingenommenheit der Berliner. Wir blieben trotz der Enge in der eingemauerten Stadt.
Auch in unserer Ehe hielt Enge Einzug.
Während ich wieder in meinem Element war, suchte László noch immer nach seiner beruflichen Bestimmung. Er hatte seine Ausbildung zum Fußballlehrer erfolgreich abgeschlossen und neuerdings den Plan, in diesem Sport als Manager Fuß zu fassen. Da dies nicht ohne Investitionen gehen würde, hatte er einen Job als Geschäftsführer im Rixdorfer Bräuhaus angenommen. Eine zeitintensive Arbeit, Tag und Nacht, zusätzlich zum Aufbau seines Managementvorhabens. Er bewältigte zwei Berufe rund um die Uhr, auch an den Wochenenden. Und ich war am Organisieren, Planen und Proben, kümmerte mich um meinen Jungen und war am Wochenende unterwegs. Wir sahen uns kaum noch und entwickelten uns auseinander. Das war ein unaufhaltsamer Prozess.
Hinzu kam, dass László auch bei anderen Frauen beliebt und durchaus kein Kostverächter war. Das entging mir nicht. Ich wurde unzufrieden. Er war mir noch vertraut – verwechselte ich das mit Liebe? Zunächst schaute ich darüber hinweg, Frauen können das eher als Männer.
Meine Kollegen sagten: László beneidet dich, neidet dir deinen Erfolg. In einer anderen Zeit war er daran immerhin ganz unmittelbar beteiligt gewesen. Ich glaubte weder an Bewunderung noch Neid und war so naiv zu denken, unsere Beziehung würde ewig halten. Die Familie ist heilig, so war ich erzogen worden. Der Meinung bin ich immer noch, schon der Kinder wegen muss man Krisen auch durchstehen.
Aber wir verloren uns zusehends. Wie lange hält man ein Leben nebeneinander aus? Wenn man sich nicht mehr wahrnimmt, ist es zu spät. Wäre ich allein gewesen, ohne Benjamin, hätte ich schon in dieser Zeit ein Ende gesetzt.
Das
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