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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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auf, sein Mund war nur wenige Zentimeter von Zacharias’ Gesicht entfernt. Frieslands Atem roch nach Rauch. »Haben wir uns verstanden, Genosse Zacharias?« fragte er leise, fast zischend.
    »Können Sie den Auftrag legitimieren? Vor allem, dass Sie mir Befehle erteilen dürfen? Hat Ihnen der Genosse Dserschinski oder gar Lenin gesagt, Sie sollen mich veranlassen, in diesem Sinn zu wirken?«
    »Glauben Sie dem Wort eines Bolschewiken, Genosse Zacharias. So ist das in einer Revolution, da werden keine Formulare verteilt. Aber die Partei muss sich auf jedes Mitglied verlassen können. Auf jedes!«
    Er ging an Zacharias vorbei zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Machen Sie keinen Fehler, Genosse Zacharias. Keinen Fehler.« Dann verließ er den Raum und zog die Tür von außen zu.
    Zacharias fror immer noch. Seine Hände zitterten. Er spürte kaum seine Füße. Nun wusste er, woran er war. Er konnte sich nicht mehr herausreden. Zu Hause lag seine tote Mutter. Was hätte sie gedacht über diesen Wahnsinn? Junge, lass dich nicht mit diesen Leuten ein. Das hatte sie früher auch gesagt, wenn er durch Gegenden streifte, in denen Menschen aus Polen wohnten, Juden meist, arm und schmutzig, aber faszinierend und stets freundlich zu dem Jungen, der sie so ungeniert anstarrte. Der Vater hatte gesagt, das sind auch nur Menschen. Aber die Mutter war nicht zu bekehren, sie mochte die Fremden nicht, vor allem nicht die aus dem Osten.
    Sonja steckte ihren Kopf durch den Türspalt. »Komm, es geht los.«
    Sonja blieb draußen. Die Mitglieder der Zentrale saßen auf Stühlen oder standen in Grüppchen zusammen. Pieck und Friesland tuschelten miteinander. An der Schmalseite des langen Tisches präsidierten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Der war blass, sah abgehetzt aus, schaute irgendwohin, nur nicht zu Rosa. Sie hatte die Augen geschlossen, als malte sie sich aus, was nun geschehen würde.
    Liebknecht klingelte mit einer silberfarbenen Glocke. Es sah lächerlich aus, als würde er zum Tee bitten oder die Kinder zur Weihnachtsbescherung rufen. Zacharias empfand zwar das Lächerliche, aber ihm fehlte die Laune zu lachen.
    Rosa öffnete die Augen, sah ihn und nickte. Was weiß sie? Zacharias fühlte sich immer durchschaut, wenn er mit ihr zu tun hatte. Aber vielleicht bildete er sich das nur ein. Oder sie schloss aus wenigen Indizien auf Zusammenhänge. Dass es diese Leninfraktion in der Partei gab, war nicht zu übersehen. Dass Friesland ihr Kopf war und dass er Pieck gewonnen hatte, auch das schien offenkundig. Sie dürfte wie Zacharias gehört haben, dass Friesland Verstärkung bekommen hatte in seinem Berliner Verband. Aus Wien war Elfriede Friedländer angereist, der der Ruf vorauseilte, noch radikaler zu sein als die Ultraradikalen aus Bremen, denen Radek sich verbunden fühlte aus alten sozialdemokratischen Zeiten. Betrachtete man, wie diese Leute zusammenspielten, konnte man den Verdacht haben, sie wollten die Macht in der Partei erobern. Im Berliner Bezirksverband war es ihnen schon gelungen, dort führte Friesland Regie.
    Liebknecht klingelte heftiger. Langsam beruhigte sich die Szenerie. Liebknecht wies auf Zacharias und zeigte dann zur gegenüberliegenden Schmalseite des Tisches, wo er sich neben Clara Zetkin setzen sollte, die Frauen beauftragte und Luxemburg-Freundin, die eigens aus Stuttgart angereist war.
    Liebknecht schlug eine Tagesordnung vor. Zuerst sollte Zacharias vortragen. Es gab nur wenige Ergänzungen zur Tagesordnung, dann erteilte Liebknecht Zacharias das Wort. Der spürte die Aufregung, räusperte sich, sah die Augen erwartungsvoll auf sich gerichtet, als könnte er Orientierung geben, da die Revolution ins Stocken geraten war und das Land zerfiel.
    Er begann mit leiser Stimme darzulegen, dass sie bislang nichts herausgefunden hatten. Er schilderte die Arbeitsweise der Kommission. Aber er verschwieg, dass sie eine Personenbeschreibung besaßen, die einen Verdacht wachsen ließ. Er sprach nur kurz, und am Ende stand die Erkenntnis, dass die Ermittlungen am Anfang seien. Es drängte ihn, wenigstens anzudeuten, Mitglieder der Zentrale seien womöglich in den Mordanschlag verwickelt. Aber er sagte es nicht.
    Liebknecht war unzufrieden, man sah es ihm an. Rosas Gesicht spiegelte auch keine Freude.
    »Das ist alles?« fragte Pieck.
    Und Friesland sagte: »Ich bin nicht Mitglied Ihrer Kommission, Genosse Zacharias, aber ich weiß offenbar mehr als Sie über dieses Verbrechen.«
    »Dann hätten Sie

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