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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Tschitscherin. Der war lange Menschewik und beweist nun besondere Linientreue. Wenn man nur immer wüsste, was die Linie ist!« Radek lachte.
    »Die Sowjetbotschaft gibt Geld und Propagandamaterial und drängt sich auf mit Rat. Der Genosse Liebknecht sei schon richtig böse auf die lieben Genossen Unter den Linden, sagt man. Die Rote Armee rasselt mit dem Säbel und ärgert die Polen, Trotzki will Waffen nach Deutschland schaffen und Instrukteure, die helfen sollen, eine schlagkräftige deutsche Rote Armee aufzubauen. Der werte Genosse Dserschinski, den Sie ja gut kennen, wie man mir berichtet hat, will in Deutschland eine Tscheka nach sowjetischem Vorbild errichten. Das Zentralkomitee der ruhmreichen Kommunistischen Partei Russlands schickt Getreide, das es Hungernden mit Gewalt weggenommen hat, weil es glaubt, so die deutschen Arbeiter für den Bolschewismus zu begeistern. Der Genosse Sinowjew, zu aller Erstaunen Vorsitzender der neuen Internationale, schickt seinerseits Leute nach Deutschland, die im Untergrund wühlen und verblüfft manchen Genossen wieder treffen, mit dem sie vor kurzem noch im Gewerkschaftshaus in Moskau gespeist haben. Sie sehen, es geht alles nach Plan. Allerdings« – er gackerte wie ein Huhn – »kennt niemand diesen Plan außer dem einzigen Gott, den die Griechen den Russen vererbt haben und der den schönen Namen Chaos trägt.« Er zog sich am Ohrläppchen, als wollte er sich rügen. »Oder ist das gar kein Gott? Dann stellen Sie sich mal vor, wir glauben an einen Gott, der gar keiner ist. Sagen Sie mir, Genosse, was bedeutet es, wenn A theisten an einen Gott glauben, der gar keiner ist? Diese Frage muss ich mal dem Genossen Lenin vorlegen. Er ist der einzige, der eine Antwort wissen wird. Oder er lässt mich erschießen. Was ja auch eine Antwort wäre.« Radek klatschte sich mit der Hand auf den Oberschenkel. Seine Zigarette fiel zu Boden, er beachtete sie nicht.
    »Was will ich Ihnen damit sagen? Dass Sie jederzeit mit allem rechnen müssen. Ich übrigens auch. Aber wir beide können uns immer auf einen Auftrag des Genossen Lenin herausreden, nicht wahr? Die Frage ist nur, ob uns das nutzt. Nachher kommt es soweit, dass es schädlich ist, sich auf den Genossen Lenin zu berufen. Statt dessen müssen wir vielleicht den großen Führer Stalin preisen, das wäre doch der größte Witz der Weltgeschichte. Wie schön, dass das nicht passieren wird.« Sein lautes Lachen hallte im leeren Saal. An der Wand neben der Tür zur Küche lehnte der Kellner und wartete ängstlich auf Weisungen dieses schrecklichen Russen mit dem noch schrecklicheren Lachen, der so gut Deutsch sprach, dass einem schauderte.
    »Essen Sie, Genosse Zacharias, wer weiß, wann Sie wieder solche guten Sachen aufgetischt bekommen.«
    Zacharias begriff allmählich, wie absurd es war, zu zweit im Speisesaal eines leeren Luxushotels zu sitzen und Dinge zu essen, die es nirgendwo sonst mehr gab. Hoffentlich tauchte nicht der Hotelfotograf auf. Kein Arbeiter würde es verstehen, auch wenn es sinnlos wäre, die Vorräte verschimmeln zu lassen und das Mehl der Schusterjungen den Maden zu schenken. Der Gedanke drängte sich auf, etwas mitzunehmen für Margarete, die ewig hungrig war. Er winkte dem Kellner, der gleich herbeieilte. Zacharias bat um einen Beutel, Radek lachte, der Kellner rannte zu einer Tür, verschwand dahinter und kehrte zurück, in der Hand eine Tasche, die wohl ihm gehörte, jedenfalls war sie benutzt. Zacharias packte Brötchen ein, Schinken, geräucherten Fisch und Butter. Radek lächelte spöttisch.
    »Haben Sie Frau und Kinder?«
    »Eine Frau«, sagte Zacharias. »Eine Frau, die ich übel vernachlässige.«
    »Unsere Hingabe an die Revolution raubt uns die Liebe für den einzelnen Menschen. Mein Gott, wann sieht meine Frau mich? So selten. Und immer muss sie Angst haben, dass ich getötet werde. Wenn ich in Moskau bin, sehe ich sie auch nur wenig, eine Sitzung nach der anderen, Berichte schreiben, Artikel, Reden halten. Da wünscht ein Arbeiterrat irgendeiner kleinen Fabrik irgendwo im großen Sowjetrussland, der Genosse Radek möchte sprechen. Über was? Über die Weltrevolution, den Bürgerkrieg, die Deutschen, ja, was machen die Deutschen, schaffen sie es endlich? Gelingt ihnen, was die Geschichte von ihnen fordert? Und der Genosse Radek, was macht der? Der fährt dahin, hilft unterwegs Brennholz schlagen, friert trotzdem im Zug, holt sich fast den Tod und hält eine Rede über die Weltrevolution, den

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