Das Luxemburg-Komplott
töten, sonst wird man getötet. In München haben die Freikorps ein Blutbad angerichtet unter unseren Leuten und denen, die sie dafür hielten. Es ist doch so, dass wir Gewalt anwenden müssen, wenn wir überleben wollen. In diese Lage haben wir uns nun hineingebracht. Es gibt daraus kein Entkommen.«
»Was sagt der Genosse Däumig über die militärische Lage?« fragte Zacharias.
Jogiches schüttelte den Kopf, Rosa sagte nur: »Däumig ist eine Fehlbesetzung. Er hat keine Autorität; sofern er eine hatte, hat er sie verloren. Das ist doch die Krux, dass Friesland und Kumpane nicht in allen Punkten unrecht haben. Das macht unsere Lage um so verzweifelter. Man muss mich gar nicht ermorden, bald buhen sie mich aus wie bei einer missratenen Uraufführung.«
*
In der Wohnung brannte kein Licht, die Fenster waren schwarz. Er schloss auf und ging hinein. Es war nur ein leichter Geruch, aber der war fremd. Er zündete die Lampe in der Küche an, da sah er Bronski. Der saß am Küchentisch und grinste.
»Wie kommen Sie herein?«
»Durch die Tür, Ihre Frau hat mich eingelassen.«
»Und wo ist sie?«
»Dann ist sie gegangen.«
»Was haben Sie ihr erzählt, dass sie ging?«
»Nichts Besonderes.«
»Was?« brüllte Zacharias.
»Nur die Wahrheit.«
Zacharias holte aus und schlug zu. Aber Bronski hob den Arm und wehrte den Schlag ab. Dann packte er Zacharias an den Schultern und zwang ihn, sich auf einen Stuhl zu setzen. Er zog einen Revolver aus der Tasche und legte ihn vor sich auf den Tisch.
»Was haben Sie Margarete erzählt?«
»Nichts Besonderes, ich sagte es bereits. Die Wahrheit ist doch nichts Besonderes, oder?«
Zacharias schwieg. Er mühte sich, seinen Hass zu bändigen. Reiß dich zusammen, nur dann hast du eine Chance.
»Was ich ihr nicht gesagt habe, und das ist gewiss in Ihrem Interesse, werter Genosse, also ich habe Ihren Auftrag verschwiegen. Den Auftrag, den ich Ihnen jetzt übermittle. Sie töten Rosa Luxemburg, weil sie eine erklärte Feindin unserer Revolution ist. Sie tun dies so, dass der Verdacht auf die Reaktion fällt. Sie erledigen diesen Auftrag so schnell wie möglich, spätestens in zwei Wochen.«
Es überraschte Zacharias nicht, nun hatte sich die taktische Spekulation verwirklicht in einem Mordauftrag. An ihn. Beherrsche dich, du musst mitspielen. Was würde einer fragen, der mitspielen will, aber doch zweifelt?
»Wer ist der Auftraggeber?«
»Feliks Edmundowitsch Dserschinski.«
»Haben Sie das schriftlich?«
Bronski lachte.
Zacharias tat so, als überlegte er. »Gut«, sagte er dann. »In spätestens zwei Wochen.«
»Sie hat mich gesehen«, sagte Bronski.
»Wer hat Sie gesehen?«
»Die Frau, die mir die Tür geöffnet hat. Und ich habe sie auch gesehen. Wenn ich Sie nicht kriege, weiß ich ja, an wen ich mich halten kann. Es liegt in Ihrer Hand, Genosse. Und Zeugen mag ich nicht. Was heißt, dass Sie der Frau nichts sagen. Überhaupt niemandem.«
Er zwang sich zu warten, als Bronski gegangen war. Der hatte seinen Geruch in der Küche gelassen. Als eine Zeit vergangen war, trat Zacharias auf die Straße. Er schaute sich um, Bronski war nirgendwo zu sehen. Zwei Männer auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig unterhielten sich lautstark über ihre Frauen und den Hunger. »Den Strick sollte man sich nehmen, den Strick«, schimpfte der eine.
»Gibt’s Stricke überhaupt noch?« schimpfte der andere zurück. »Nichts gibt es mehr.«
Zacharias musste sich beherrschen, um nicht zu rennen. Als er vor dem Haus angekommen war, warf er Steinchen gegen die Scheibe. Dahinter funzelte flackernd Licht. Das Fenster öffnete sich, Margarete schaute heraus. Sie betrachtete ihn und sagte kein Wort.
»Komm zurück«, sagte er.
»Damit dieser Wahnsinnige mich wieder heimsucht?« schrie sie. »Er hat mich bedroht und beschimpft. Er hat sich in die Wohnung gedrängt und von mir verlangt, dass ich gehe.« Sie hatte geweint, er hörte es an ihrer Stimme. Sie schloss das Fenster, dann erlosch das Licht. Kurz darauf kam sie auf die Straße. Sie hakte sich bei ihm ein, und sie gingen zurück zu seiner Wohnung.
»Aber du musst versprechen, dass der Mann nicht mehr kommt.«
»Das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wo ich ihn finden sollte, um es ihm zu verbieten.«
»Dann such ihn.«
Er antwortete nicht. Zorn arbeitete in ihm. Sie hatte recht, sie waren diesem Finsterling ausgeliefert. Er fror, als eine kalte Bö die Straße entlangstrich. Sie trug Papierfetzen mit sich. Er musste
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