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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Sozialdemokraten jagten oder Spartakisten nach dem Januaraufstand. »Wir haben ihn!«
    »Wen?« fragte Zacharias, obwohl er wusste, wen sie gefangen hatten. Aber er wollte nicht einstimmen in den Jubel eines Mannes, den der Jagdtrieb überwältigt hatte.
    »Tibulski, Gustav Tibulski!« rief Lohmeier in einem Tonfall, der zeigte, dass er nicht verstand, warum Zacharias nicht von selbst darauf gekommen war, wen sie erwischt hatten. Zacharias wies Lohmeier an, Tibulski einzusperren, das Verhör behalte er sich vor. Lohmeier war die Enttäuschung anzumerken, und doch wunderte sich Zacharias, wie reibungslos der Polizist bereit war, den neuen Herren zu dienen, die er zuvor bekämpft hatte. Wie viele von uns mochte er auf der Flucht erschossen haben?
    Zacharias nahm sich die Freiheit vom Tresen, legte sie aber gleich wieder zurück, als er las, dass es die Ausgabe vom 31. März war, von gestern. Er saß gerade wieder an seinem Tisch vor dem Tee, als drüben die Haustür sich öffnete. Sonja trat heraus. Die harte Wintersonne ließ ihr Haar unterhalb des Hutrands glänzen.
    Zacharias hatte bereits gezahlt und verließ die Gaststätte, der Wirt beachtete ihn nicht. Er folgte Sonja, die mit Straßenbahn und U-Bahn eine Strecke zurücklegte, die Zacharias kannte: Sie fuhr zu Friesland in die Metzer Straße. Als sie im Haus verschwunden war, überfiel Zacharias die Niedergeschlagenheit. Was hatte er nun herausbekommen? Nichts, jedenfalls nichts, das er nicht schon wusste. Was bewies Sonjas Besuch bei Friesland? Nichts. Warum hatte er Sonja verfolgt? Er wusste es schon nicht mehr. Darin zeigte sich der Beginn von Panik: Du tust Dinge, die nutzlos sind, obwohl du keine Zeit hast. Du tust das, weil du nicht weißt, wie du es anstellen sollst. Wo ist der Zipfel, an dem du ziehen kannst, um das Komplott ans Tageslicht zu befördern? Er schüttelte den Kopf, stampfte wütend mit dem Fuß auf und eilte zum Polizeipräsidium.
    Dort ließ er gleich Tibulski vorführen und schickte alle Mitarbeiter aus dem Raum.
    »Kennen Sie mich, Genosse?«
    Tibulski nickte. Er sah erschöpft aus, die Haare waren schmierig, unter geröteten Augen trug er Ringe. »Lichtenberg«, sagte er mit leiser Stimme.
    »Genau, Lichtenberg.«
    Tibulski sank weiter in sich zusammen.
    »Sie würden jetzt lieber schlafen, stimmt’s?«
    Tibulski nickte.
    »Aber Sie sehen ein, es geht nicht. Ich muss wissen, warum Sie in die Reichskanzlei eingedrungen sind.«
    Tibulski verdrehte die Augen. »Es war so eine Art Wette.«
    »Was?«
    »Na ja, der Tetsche sagte, in den Regierungsgebäuden, da kann jeder ein und aus gehen, wie er will. Wir haben getrunken, nach der Schießerei in Lichtenberg haben wir uns besoffen, und nicht nur einmal.«
    »Weil Sie überlebt haben.«
    »Weil es dieses Wunder gab. Und wenn ein Wunder passiert, na, dann muss man sich einen hinter die Binde kippen. Ist doch klar, oder?«
    »Natürlich.« Der Mann sagte die Wahrheit, und diese Wahrheit war absurd. Es war ein Streich von Betrunkenen, der zum Mordanschlag aufgeblasen worden war. »Deswegen haben Sie nicht auf die Genossin Luxemburg geschossen?«
    Tibulski schaute Zacharias an, als wäre der verrückt.
    »Wir riskieren doch nicht unser Leben für Rosa, um sie dann zu ermorden.«
    »Aber zwei Genossen wurden erschossen und etliche verletzt.«
    Tibulski rutschte hin und her auf dem Stuhl, als suchte er eine bequemere Sitzposition.
    »Wer von Ihrer Truppe war das?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Das waren zwei, die völlig betrunken waren. Die wollten das nicht, haben mit den Gewehren herumgefuchtelt, na ja, und dann ist es passiert.«
    »Namen, Adressen?«
    »Keine Ahnung.«
    Zacharias sagte nichts. Er glaubte dem Mann nicht, aber es würde ihn im Augenblick nicht weiterbringen, zwei Randalierer zu jagen, die im Suff herumgeballert hatten. Es widersprach seinem Gerechtigkeitsempfinden, diese Leute nicht zu verfolgen. Aber er hatte keine Zeit. In zwei Wochen lief seine Uhr ab, bis dahin musste er alles geregelt haben. Vor allem, dass er überlebte. Margarete war einigermaßen sicher in Königs Wusterhausen. Aber was war mit Rosa? Wenn er richtig kalkulierte, hatte sie noch zwei Wochen plus eine unbekannte Zeitspanne, die ein neuer Auftragsmörder brauchte.
    Er ließ Tibulski in die Zelle zurückbringen, befahl einen Wagen vor den Haupteingang und wies den Fahrer an, im Höchsttempo zur Reichskanzlei zu fahren. Dort angekommen, erfuhr er, dass Rosa im Reichstag sei. Warum

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