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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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hatte er nicht vorher angerufen? Seit er keine Zeit mehr hatte, verschwendete er sie.
    Er trieb den Fahrer an. Der hielt mit quietschenden Bremsen vor dem Haupteingang des Reichstags. Überall Bewaffnete, sie saßen und standen herum. Einer packte Zacharias am Arm, als der die Treppe hochstürmte. »Ich muss zur Genossin Luxemburg«, drängte Zacharias. »Ich habe es eilig.«
    »Natürlich«, lachte der Soldat. »Wir leben nicht ewig.« Er winkte einen anderen heran. Auch der trug keine Rangabzeichen. »Der will zur Genossin Volkskommissar«, sagte der erste Soldat lachend. Er kratzte sich im Schritt.
    »Das wollen viele«, sagte der andere. »Und wer ist der Bürger?«
    »Ich bin der Genosse Sebastian Zacharias, Leiter der Untersuchungskommission zur Aufklärung des Mordanschlags auf die Genossin Luxemburg.«
    »Dann haben Sie bestimmt einen Dienstausweis«, sagte der zweite Soldat. Er hatte Pickel im Gesicht.
    Zacharias suchte in den Taschen. Seit er diesen Ausweis besaß, war er nicht ein einziges Mal danach gefragt worden. Wahrscheinlich lag er in einer Schreibtischschublade. »Ich habe ihn vergessen. Haben Sie denn Dienstausweise?« fragte er die Soldaten.
    »Brauchen wir nicht«, sagte der erste.
    Es hatte sich ein Pulk von Soldaten um die drei versammelt.
    »Jetzt schicken Sie schon jemanden rein zur Genossin Luxemburg und sagen Sie ihr, ich müsse sie sprechen, dringend.«
    »Soso«, sagte der zweite Soldat. Er schaute sich um, dann zeigte er mit dem Finger auf einen weiteren Soldaten. »Geh mal rein, ein Genosse« – er forderte Zacharias mit einem Blick auf, seinen Namen zu wiederholen – »möchte die Genossin Volkskommissar besuchen. Beeil dich.«
    Der Mann ging gelassen in Richtung Eingang, während sich der erste Soldat eine Zigarette anzündete. Er nahm die Zigarette zwischen Zeigefinger und Daumen. »Ein bisschen was Warmes«, sagte er. »Warum machen wir diese Revolution eigentlich im Winter? Stell dir vor, im Sommer, da kann man sich auf die Wiese legen, baden gehen. Aber nun? Die Nächte, mein Gott, was sind die kalt. Wir stehen hier rum, die Konterrevolution versteckt sich, und wir warten und warten. Aber sie werden kommen, glaub mir, Genosse, sie werden kommen.«
    Ja, dachte Zacharias, wo bleiben Reichswehr und Freikorps? Warum greifen sie nicht an? Warum schenken sie uns die Zeit, uns zu sammeln? Da lachte er bitter. Sammeln, wir uns sammeln? Je länger wir an der Macht sind, desto größer das Durcheinander. Jeder macht, was er will.
    Er sah den Soldaten im Laufschritt sich nähern. »Kommen Sie!« rief er von weitem. »Kommen Sie, Genosse, die Genossin Volkskommissar erwartet Sie.«
    Der erste Soldat schaute Zacharias von oben bis unten an. Dann schlug er ihm hart auf den Rücken. »Nichts für ungut«, sagte er. »Wir tun nur unsere Pflicht.«
    Zacharias folgte dem Uniformierten in den Reichstag. Die Pforte war besetzt, der Mann stellte ihm einen Passierschein aus, nachdem er mit jemandem telefoniert hatte. Zacharias fand Rosa in einem Bürozimmer im ersten Stockwerk. Jogiches saß in der Ecke, las Zeitung und rauchte. »Ja, Genosse Zacharias«, sagte Rosa.
    Die Tür ging auf. Zacharias konnte nicht erkennen, wer sie geöffnet hatte. »Die Delegation aus Halle wartet schon drei Stunden!« Eine Frauenstimme, nervös, ü bernächtigt.
    »Schicken Sie sie rein«, sagte Rosa. »Warten Sie bitte solange«, sagte sie zu Zacharias. In ihrem Gesicht las er Hilflosigkeit angesichts der unendlichen Zahl von Wünschen, die die Menschen im revolutionären Deutschland an den Volkskommissar für Wirtschaft richteten.
    Es erschienen fünf Männer. Sie hatten sich fein gemacht, trugen Anzüge und Schlipse, die Aufregung hatte sie gepackt. Der kleinste von ihnen, mit einem verschlissenen Kragen und Schweiß auf der Stirn, überbrachte die Grüße des revolutionären Hallenser Proletariats. Er stotterte, weil er kämpferisch klingen wollte.
    Zacharias beobachtete die Szene genau. Rosa blieb ge duldig, sie hörte zu, obwohl der Delegierte fast ewig brauchte, bis er zum Grund der Reise nach Berlin kam. Es gebe nicht genug zu essen, die Menschen hungerten, Plünderungen begännen, sobald die Sonne untergegangen sei, Überfälle und Vandalismus trieben die Menschen nachts in die Häuser. Die Miliz komme nicht dagegen an, zumal auch die Polizisten hungerten und es daher erste Fälle von schwerem Disziplinbruch gegeben habe. Die Industrie und der Handel lägen am Boden, die Arbeiter blieben zu Hause oder zögen

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