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Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian von Ditfurth
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Ruhe.«
    »Verstecken! Verstecken! Im revolutionären Deutschland soll sich Rosa Luxemburg verstecken! Lächerlich! Wahnsinnig!« Sie schrie. Dann blieb sie plötzlich stehen und versank in Nachdenken.
    »Wir haben fast zwei Wochen Zeit, Sie in Sicherheit zu bringen. Vielleicht nach Stuttgart, erst einmal, zu Ihrer Freundin Zetkin. Dann kann man weitersehen.«
    Sie antwortete nicht.
    »Oder nach Frankfurt am Main, wo der Genosse Levi wohnt, das ist doch Ihr Anwalt.«
    »Dort wird man sie zuerst suchen, und Levi haben sie auch im Visier«, knurrte Jogiches hinter der Rauchwolke, die er stets von neuem vor sich hin blies.
    Sie schwiegen lange. Rosa setzte sich, blätterte in Akten auf ihrem Tisch, ohne sie zu lesen. Dann sagte sie: »Wir warten die Sitzung des Rats ab, danach treffen wir uns hier. Genosse Zacharias, Sie begleiten mich zum Rat der Volkskommissare, du bist ja ohnehin dort, Leo.«
    Sie hatte sich gefangen. Ihrer Stimme hörte man an, sie würde kämpfen. Aber wie soll man gegen einen Tod kämpfen, den man nicht sieht? Zacharias grübelte. Er malte sich Fluchtwege aus. Wohin konnte sie gehen? In Deutschland kannte sie jedes Schulkind, und wie sollte man sie jahrelang verkleiden und verstecken? Selbst wenn es ging, Zacharias spürte, sie würde es nicht aushalten. Welchen Sinn konnte ihr Leben haben, wenn sie aus der Politik ausschied? Im Gefängnis, da war es anders gewesen. Sie musste sich nicht verstecken, und sie hat es immer verstanden, Artikel und Briefe herauszuschmuggeln. Ihre Freundin und Sekretärin Mathilde Jacob hatte eine Meisterschaft darin entwickelt, Dinge ins Gefängnis zu schaffen und heraus. Aber wenn Rosa heute im Gefängnis säße, sie könnte hinausschmuggeln, was sie wollte, niemand würde es drucken.
    Dann fiel ihm der einzige Fluchtort ein, den er ihr vielleicht würde schmackhaft machen können: Zürich, wo sie studiert und mit Leo Jogiches gelebt hatte. Womöglich gelang es, die Familie von Polen nach Zürich zu holen, ein weiterer Ansporn. In Zürich würde sie schreiben können, sie würde Zeitungen finden und Buchverlage, die ihre Arbeiten veröffentlichen würden. Sie könnte die Entwicklung in Deutschland und Russland analysieren, weltweit würde man nachdrucken, was sie schrieb. Und er, Zacharias, er würde dort frei leben können, ohne töten zu müssen, ohne zu fliehen vor den eigenen Genossen, die einen zum Mörder gemacht hatten. Und er würde auf sie aufpassen, weil sie immer mit einem Mörder aus Moskau rechnen mussten.
    »Kommen Sie«, sagte Rosa.
    Er war ein wenig benommen.
    »Sie freuen sich über etwas. Doch nicht über Ihren Mordauftrag?« Sie lächelte. Aber in ihrem Gesicht las er Entschlossenheit.
    Während der Sitzung des Rats der Volkskommissare zeigte sie keine Unruhe. Zacharias, der schräg hinter ihrem Stuhl an der Wand saß, bildete sich ein, sie beobachte die anderen Kommissare und deren Mitarbeiter.
    Liebknecht war in freudiger Stimmung. Das erste Schiff mit Weizen war in Hamburg eingelaufen, die Massen hatten das Schiff bejubelt, sie hatten rote Fahnen aufgezogen, die Miliz hatte paradiert, es waren Reden gehalten worden auf die Freundschaft zwischen Sowjetrussland und Sowjetdeutschland.
    »Werden wir jetzt in Moskau regiert?« fragte Rosa, und sie mühte sich, keine Schärfe in die Frage zu legen. »Wir sind nicht Sowjetdeutschland, sondern die Sozialistische Republik Deutschland, wie sie der Genosse Liebknecht im November ausgerufen hat.«
    Schweigen begegnete ihr. Nur Clara Zetkin, die alte Freundin, nickte. Friesland verzog das Gesicht.
    Dann erörterten sie die Lage im Land. Däumig meldete nur Scharmützel mit Einheiten der Konterrevolution, die eher zufällig ausgebrochen seien. »Sie kämpfen nicht, die feigen Hunde. Sie warten, dass die Entente ihnen die Drecksarbeit abnimmt.« Die Rote Armee werde jeden Tag stärker, Ausbildung und Bewaffnung verbesserten sich. Das waren aber die einzigen guten Nachrichten. Sonst klagte Däumig über den Zusammenbruch der Disziplin. Die Miliz und zunehmend auch die Armee seien nicht damit beschäftigt, die Reaktion zu bekämpfen, sondern Banden, die durchs Land marodierten, Bauern, die um sich schossen, Arbeiter, die Läden stürmten und plünderten.
    Die Tür öffnete sich, Radek betrat den Raum. Liebknecht erhob sich, Beifall, Hochrufe auf die Sowjetmacht. Radek versuchte, nicht zu grinsen, er schüttelte Liebknecht die Hand, dann bat er um Ruhe und darum, in einer Ecke die Sitzung verfolgen zu dürfen. In

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