Das Luxemburg-Komplott
feuchten Augen hingen Tränensäcke. Er stotterte leise. »Ich habe in der Telefonzentrale der Volksbeauftragten gearbeitet und geglaubt, die Genossen Ebert und Scheidemann wollten den Sozialismus erkämpfen.«
»Bitte sprechen Sie lauter«, sagte Rosa.
»Ja, Entschuldigung.« Er schaute sich um, als wären weitere Personen im Raum. Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Sie müssen wissen, ich bin Mitglied der SPD, schon vor dem Krieg. Aber dann habe ich etwas mitbekommen. Ich habe es erst für mich behalten. Aber jetzt, wo die Revolution verraten ist, da kann ich nicht mehr schweigen. Sie zerstören die Räte durch diese Nationalversammlung. Jahrelang hat unsereins vom Volksstaat geträumt. Und was haben wir jetzt? Jetzt haben wir ein bürgerliches Parlament und eine Koalitionsregierung mit bürgerlichen Parteien unter diesem Scheidemann.« Der Mann stotterte, eine Schweißperle lief hinunter zum Kinn. Als hätte er erst begriffen, was geschehen war, während er es aussprach.
»Ja, und in München, da ist die SPD die Konterrevolution. Ich weiß jetzt schon, was geschehen wird. Sie wird Reichswehr und Freikorps schicken, um die Räterepublik in Bayern zu stürzen. Das wird sie tun. So wie in Bremen und Hamburg und anderswo.« Die Empörung quoll aus ihm hervor. Er war erleichtert, seine Wut zeigen zu können.
Rosa schaute ihn unentwegt an. Sie hatte einen sanften Blick, fast erwartete Zacharias, dass sie dem Soldaten die Hand auf den Arm legte. Sie unterbrach den Mann nicht, nickte nur und ermutigte durch Aufmerksamkeit. Sie nahm ihn ernst, das spürte der Mann von Anfang an.
»Ich habe Sie mal gehört, Genossin Luxemburg, vor dem Krieg. Als Sie vor Gericht standen, weil Sie diese Soldatenmisshandlungen aufgedeckt haben. Und weil Sie gesagt haben, dass sozialdemokratische Arbeiter nicht auf ihre französischen Genossen schießen würden. Und heute schießen deutsche Sozialdemokraten auf deutsche Arbeiter.«
Zacharias wurde ungeduldig. »Was haben Sie uns zu berichten?«
Der Soldat schaute irritiert zu Zacharias. Rosa sandte ihm einen strafenden Blick. »Lassen Sie den Genossen sagen, was er sagen will. Ich finde das höchst lehrreich.«
Zacharias fühlte Hitze im Kopf aufsteigen und hoffte, sein Gesicht färbte sich nicht rot.
Der Soldat schaute von Zacharias zu Rosa, er schwitzte stark. Dann stotterte er weiter. »Wir in der Telefonzentrale haben alle Gespräche der Volksbeauftragten vermittelt. Wir wussten also, wer wann telefonierte. Und manchmal haben wir mitgehört. Dabei habe ich das erste Mal gemerkt, wie wir belogen werden. Ebert sagte, er hasst die Revolution wie Pest. Er wollte die Monarchie retten. Ein Sozialdemokrat, der die Monarchie retten will. Der Vorsitzende meiner Partei! Ich habe ja lange geglaubt, die USP und die Spartakisten würden die SPD grundlos bekämpfen. Viel zu lang hab ich das geglaubt.«
Er schwieg, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und wischte mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. »Einmal habe ich ein Gespräch vermitteln wollen zum Volksbeauftragten Ebert. Aber da nahm ein Sekretär ab, irgend so jemand, und der sagte, Ebert telefoniere gerade. Ich schaute mich um in der Zentrale, da war kein Gespräch vermittelt worden. Da musste es also noch eine andere Telefonleitung geben, eine, die wir nicht kannten. Das ließ mir keine Ruhe. Eines Nachts hatte ich Dienst, draußen war mal wieder der Teufel los, es wurde geschossen. Da bin ich hoch in Eberts Dienstzimmer und habe die Klinke gedrückt. Es war nicht ab geschlossen, also bin ich rein. Auf dem Schreibtisch stand neben dem normalen Telefon noch ein anderes. Ich habe den Hörer abgenommen und gekurbelt. Da meldete sich der Stab vom General Groener, also dem Chef der O bersten Heeresleitung in Kassel. Ich hab wieder aufgelegt und schnell das Zimmer verlassen. Ich habe dann vorsichtig herumgefragt, und ein Offizier hat mir erzählt, es gebe ein Geheimabkommen zwischen Groener und Ebert zur Niederschlagung der Revolution. Die beiden würden jeden Abend miteinander telefonieren und sich abstimmen.«
Rosa lachte bitter. »Ich habe denen alles zugetraut, wirklich alles. Aber wenn man dann weiß, was man vermutet hat, kommt der Zorn dennoch. Ich danke Ihnen, Genosse. Kommen Sie zu uns, helfen Sie uns. Wir brauchen Leute, die die Wahrheit über die Treue stellen.« Sie warf einen Blick auf Zacharias. Der überlegte, ob sie ihn gemeint hatte mit dem letzten Satz. Was mochte es bedeuten, die Wahrheit über die Treue zu
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