Das Luxemburg-Komplott
Massenaktion. Es ist ein bitterer Weg …«
»Ich weiß«, sagte Jogiches. »Aber wenn das richtig ist, muss es nicht richtig sein, das Proletariat bewusst in die Niederlage laufen zu lassen.«
»Wir haben keine Wahl!« Liebknecht war zornig. »Die Arbeiter gehen auf die Straße, der Berliner Rat ruft den Generalstreik aus. Wir können uns nicht verweigern.«
»Karl, du hast wieder Vereinbarungen für die Partei getroffen, die nur die Zentrale treffen kann. Es geht nicht, dass du die Partei festlegst, und alle anderen dürfen nur noch ja sagen.« Auch Rosa mühte sich, ruhig zu bleiben.
So ging es nun seit gut zwei Wochen. Die Führer schrieben Artikel. Liebknecht traf sich mit allen möglichen Leuten und riskierte sein und der anderen Leben. Er war unfähig, konspirativ zu arbeiten. Kleinigkeiten genügten, ihn aufbrausen zu lassen. Er riskierte alles und glaubte deshalb, alles entscheiden zu dürfen. Der Generalstreik in Berlin war am 3. März angelaufen, die Zentrale der KPD schloss sich an. Seit drei Tagen nun streikten Arbeiter gegen die Regierung des Reichspräsidenten Ebert und des SPD-Ministerpräsidenten Scheidemann. Die hatten in Berlin alle Gewalt dem Reichswehrminister Noske übergeben, der befahl, jeden zu erschießen, der bewaffnet angetroffen wurde. Gefangene wurden nicht gemacht. Noske hatte schon die Räterepubliken in Hamburg und Bremen zusammenschießen lassen. Jetzt wollte er Schluss machen mit den Berliner Aufständischen.
Zacharias hatte in den vergangenen Tagen die Verbindung zu Pieck gehalten. Pieck hatte einen Kurier in die Arbeitsstelle von Zacharias’ Mutter geschickt. Sie hatte den Goldgürtel am nächsten Morgen mitgebracht und dem Kurier übergeben.
Auf dem Alexanderplatz gab es Schießereien, dann auch in Lichtenberg. Pieck hatte ein provisorisches Hauptquartier der Partei in der Boxhagener Straße in Lichtenberg eingerichtet. Dort saß nun auch die Redaktion der verbotenen Roten Fahne , in der Rosas Artikel erschienen.
Zacharias war nicht wohl bei dem Gedanken, die einigermaßen sichere konspirative Wohnung aufzugeben. Aber er widersprach nicht und begleitete Rosa und die anderen nach Lichtenberg.
Am Abend war die Zentrale der Partei fast vollzählig versammelt im neuen Hauptquartier. Zacharias saß neben der Tür, draußen hatte er weitere Bewaffnete postiert. Jetzt ein Freikorpsüberfall, und die Führung der Partei würde ausgelöscht.
»Schon ein Bericht von Eberlein aus Moskau?« fragte Pieck.
»Nein, wir wissen noch nicht einmal, ob die neue Internationale gegründet wurde.«
»Ich hoffe, Eberlein lässt sich nicht überreden mitzumachen.«
»Die Zentrale der Internationale kann nur in Berlin sitzen«, sagte Liebknecht. »Aber erst müssen wir siegen.«
»Wie ist die Lage in Berlin?« fragte Jogiches. »Genosse Zacharias, berichten Sie.«
Zacharias trug vor, was ihm berichtet worden war. Die Lage war schlecht. Die Freikorps erhielten Nachschub und Verstärkung, die Aufständischen standen einer Übermacht gegenüber, die täglich stärker wurde. Bald würde das Hauptquartier gefährdet sein. Zacharias forderte die Genossen auf, sich wieder in konspirativen Wohnungen zu verstecken.
Liebknecht schnaufte. »Dieser Defätismus hat uns im Januar das Genick gebrochen.«
Es klopfte an der Tür. Alle starrten hin. Zacharias öffnete und ging hinaus. Draußen stand ein Soldat. Ein von Zacharias eingeteilter Posten hielt ihn am Arm, ein anderer richtete den Gewehrlauf auf seinen Rücken.
»Dieser Mann behauptet, er habe uns etwas Wichtiges zu sagen.« Der Posten packte den Mann noch kräftiger am Arm.
»Dann soll er es tun«, sagte Zacharias.
»Ich sage das nur der Genossin Luxemburg.«
Der Posten schaute Zacharias an. Der zögerte kurz, dann betrat er den Sitzungsraum. Er ging zu Rosa und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie hörte genau zu, dann stand sie auf und folgte Zacharias hinaus. Währenddessen ereiferte sich Liebknecht über die Feigheit der Genossen. Draußen schloss Zacharias die Tür.
Rosa sagte: »Nun packen Sie den Mann nicht so fest. Wir gehen nach nebenan, und dort erzählen Sie uns, was Sie zu berichten haben.« Sie schob die Posten zur Seite und bat nur Zacharias mitzukommen.
Wählend Zacharias die Tür sicherte, bot sie dem fremden Soldaten einen Platz an und setzte sich ihm gegenüber.
»Nun, wie heißen Sie denn?«
»Kowalski, Egon Kowalski.«
»Genosse Kowalski, was haben Sie auf dem Herzen?«
Er zupfte sich an seinem grauen Bart, unter
Weitere Kostenlose Bücher