Das Luxemburg-Komplott
stellen?
Sie hielt die Hand des Soldaten einige Augenblicke in ihrer. »Danke. Vielleicht wissen Sie gar nicht, welche Bedeutung Ihr Bericht hat für die Revolution. Wenn Sie einmal nicht weiterwissen und glauben, ich könnte Ihnen helfen, dann wenden Sie sich an mich. Und jetzt bitte ich Sie, das alles aufzuschreiben und zu unterzeichnen. Und vergessen Sie bitte nicht, Ihre Adresse anzugeben.« Sie führte den Soldaten aus dem Zimmer.
»Wenn Sie fertig sind, geben Sie das Papier bitte diesem Genossen.« Sie zeigte auf einen bärtigen Mann mit dickem Bauch, der am Fenster nach Feinden schaute. »Alfons, seien Sie wie ein Vater zu diesem Genossen. Er ist für uns wichtig, sehr wichtig. Er schreibt etwas auf, das bringen Sie mir dann bitte gleich.«
Der Bärtige hob die Hand und nickte. »Mach ich«, brummte er.
Rosa winkte Zacharias, ihr zu folgen. Sie kehrten zurück in den Sitzungsraum. Dort herrschte Streit. Liebknecht giftete Jogiches an, der habe Fehler über Fehler gemacht, Pieck saß da mit hochrotem Kopf. Rosa schien es nicht zu beachten: »Ich habe gerade etwas erfahren, das die Wende bringen kann.«
Nun schwiegen alle.
»Es gab und gibt wahrscheinlich noch eine Geheimleitung zwischen Ebert und Groener, vor allem aber ein Abkommen, um die Revolution niederzuwerfen. Die haben alles abgesprochen. In der Reichskanzlei werden Telefonate über eine Zentrale vermittelt. Außer der Leitung zwischen Berlin und Kassel. Und jeden Abend sitzt Ebert am Telefon und konspiriert mit dem ärgsten Feind des Proletariats. Wenn wir diesen Verrat an der Arbeiterklasse veröffentlichen, wird es große Empörung geben, auch bei den Mehrheitssozialdemokraten, erst recht bei den Unabhängigen. Während Dittmann und Genossen Volksbeauftragte spielten, entschied Ebert die Machtfrage hinter deren Rücken. Oder sie wussten etwas, dann laufen ihnen jetzt die Arbeiter weg.«
»Das kommt in die nächste Ausgabe der Roten Fahne !« rief Liebknecht.
»Das reicht nicht«, sagte Jogiches. »Wir treten mit den Unabhängigen in Kontakt. Wenn auch die Freiheit die Sache bringt, dann wird es ernst.«
»Können wir uns bis morgen halten?« fragte Pieck.
Niemand antwortete.
Am Abend erschien Mathilde Jacob. Zacharias kannte sie noch nicht. Sie stellte sich vor als Rosas Sekretärin, aber er merkte gleich, dass sie eher eine Vertraute war. Jacob tippte die Erklärung des Soldaten ab, ließ aber dessen Namen und Adresse weg.
Es war schon finster, die Schießerei war abgeebbt, als Rosa Zacharias bat: »Gehen Sie zur Freiheit , erklären Sie den werten Genossen, was wir erfahren haben. Nehmen Sie den Bericht mit. Die müssen Ihnen glauben.«
»Und wer passt auf, dass hier nichts passiert?«
»Es ist nicht mehr viel los. Draußen stehen die Genossen und bewachen uns. Eine Revolution ohne Risiko gibt es nicht. Wir halten das allein nicht mehr lange durch, der Feind ist zu stark. Vielleicht bringt diese Sache die Wende.« Sie klang nicht sehr überzeugt.
»Morgen früh ist es der Aufmacher in der Roten Fahne. Aber werden die sozialdemokratischen Arbeiter uns glauben, wenn ihre Führer gleich Lüge schreien? Das haben wir doch gelernt. Es kommt nicht darauf an, die Wahrheit zu kennen, sondern darauf, dass die Massen uns glauben. Was bedeutet, dass sie ihre traditionellen Führer für Lügner halten müssen. Das geht nicht so schnell. Aber vielleicht können wir diesen Prozess nun beschleunigen.«
Zacharias ging die Treppe hinunter zum Ausgang in den Hinterhof. Er wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Mit der Mauser in der Hand schlich er an der Wand entlang. Irgendwo leuchtete eine Zigarette auf. Als er die Tür des Nachbarhauses erreicht hatte, lauschte er. Aber er hörte nur weit entfernte Geräusche, vielleicht tranken die Freikorpssöldner. Zacharias öffnete die Tür und schlich in den Flur. Er roch es zuerst, bevor er es wusste. Er war nicht allein.
»Parole?« rief einer, in dessen Stimme Angst lag.
Zacharias sah einen Umriss und feuerte. Der andere stöhnte, dann sackte er auf dem Boden zusammen. Zacharias drückte ihm hart die Pistole an den Kopf. »Wie lautet die Parole?«
Der Söldner stöhnte. Zacharias drückte fester.
»Ludendorff.«
Zacharias drückte ab und rannte los zur vorderen Haustür, riss sie auf und rannte auf die Straße.
»Was ist los?« wurde er angebrüllt. »Parole!«
»Ludendorff. Spartakisten. Sie brechen hier durch! Ich bin verletzt.«
Er lief weiter weg von den Söldnern,
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