Das Luxemburg-Komplott
Dittmann: »Wenn wir das beweisen können, haben wir die Ebert-Leute im Schwitzkasten.«
Däumig überlegte und sagte nichts.
»Wir könnten versuchen, in die Reichskanzlei zu kommen und das Telefon auszuprobieren. Dafür brauchen wir noch irgendeinen Zeugen, dem jeder glaubt.« Er wandte sich an Däumig. »Können Sie einen Passierschein oder so etwas anfertigen lassen, am besten mit Eberts oder Scheidemanns Unterschrift?«
»Gut«, sagte Däumig. »Wir machen das gleich. Warten Sie hier.«
»Ein Papier, in dem steht, dass der Betreffende den Auftrag hat, dem Herrn Reichspräsidenten eine Akte aus seinem ehemaligen Dienstzimmer zu holen und nach Weimar zu bringen«, sagte Zacharias.
Däumig winkte ab. »Genau daran dachte ich. Und Sie werden hingehen. Wir stellen Ihnen einen von unseren Leuten als Begleiter. Am liebsten käme ich selbst mit. Aber es könnte mich jemand erkennen.«
»Eigentlich ist es keine Überraschung, dass Ebert mit Groener gegen die Revolution arbeitete«, sagte Zacharias. »Und doch wird die Aufdeckung Empörung auslösen.«
»Vor allem in unseren Reihen. Wenn bekannt wird, dass Ebert vom ersten Tag an mit Militärs und Freikorps gegen die Arbeiterklasse und gegen die anderen Volksbeauftragten konspiriert hat, dann gibt es einen Aufschrei. Wenn nicht mehr.«
»Wollen Sie sich da nicht dem Generalstreik anschließen? Wir könnten ihn ausdehnen und weiterführen. Wenn die USP auch auf Reichsebene mitzieht, können wir die Macht übernehmen.«
»Das werden wir zwei nicht einfach so entscheiden können.«
»Ich glaube, das entscheidet die Straße. Wir können nur folgen.«
»Ein getreuer Schüler der Genossin Luxemburg.« Dittmann lächelte. »Aber vielleicht haben Sie ja recht.«
Sie unterhielten sich eineinhalb Stunden über die Abspaltung der Spartakusgruppe von der USP, die Dittmann für idiotisch hielt, über Russland, das in Dittmanns Augen nur ein blutiges Chaos war, über Rosa, die laut Dittmann auf die falschen Ratgeber hörte. Endlich klopfte es, die Tür öffnete sich, Däumig kehrte zurück, in der Hand ein Blatt Papier. Er pustete über das Blatt, wie um zu zeigen, wie neu es sei. »Der Genosse Ebert hat soeben den Genossen Zacharias zu seinem persönlichen Beauftragten ernannt und weist ihn an, ein wichtiges Dokument, das der Geheimhaltung unterliegt, aus dem Schreibtisch des ehemaligen Dienstzimmers des heutigen Reichspräsidenten in der Reichskanzlei zu besorgen. Es ist höchste Eile geboten.«
Zacharias musste lachen. »Und haben Sie auch schon den richtigen Zeugen parat?«
»Natürlich«, sagte Däumig. »Was glauben Sie denn? Niemand kann es mit den Unabhängigen Sozialdemokraten aufnehmen, wenn es um Ideen geht. Die Spartakisten schon gar nicht.«
Dittmann runzelte die Stirn. »Nun, Genosse!«
»Einen kaiserlichen Notar natürlich.«
Zacharias lachte erneut.
»Das ist nicht komisch«, sagte Däumig. »Niemand ist glaubwürdiger als ein Notar. Wir holen den Mann auf dem Weg zur Reichskanzlei aus dem Bett und nehmen ihn mit. Der Genosse Zacharias erhält eine bewaffnete Eskorte von vier Mann. Die Leute warten draußen schon. In Uniform. Der Notar trägt den historischen Namen Wallenstein, er wohnt in der Kronenstraße 37. Genosse Zacharias, bitte schön!« Däumig gab Zacharias das Papier. Es sah beeindruckend aus. »Ich werde mitkommen bis kurz vor dem Wilhelmplatz. Gehen wir!«
*
Im Hinterhof des Gebäudes warteten vier bewaffnete Männer in den Mannschaftsuniformen kaiserlicher Jäger neben einem Lastwagen. Für Zacharias lag ebenfalls eine Uniform bereit mit den Rangabzeichen eines Unteroffiziers. Sie war ihm etwas zu groß. Däumig und Zacharias setzten sich zum Fahrer auf die Bank, die Sol daten stiegen auf die Ladefläche. Es war längst nach Mitternacht. Auf den Straßen war Ruhe. Nur einmal begegneten sie einer Droschke.
Sie hielten direkt vor der Kronenstraße 37. Im fahlen Licht der Laternen erkannte Zacharias ein Messingschild – »Dr. Friedrich Wallenstein, Notar, Termine nach Vereinbarung«. Das Schild schien neu angebracht worden zu sein. Im Haus brannte kein Licht.
Zacharias stieg aus und prüfte die Tür. Außen gab es keine Klingeln, aber an der Tür war ein Klopfschlegel angebracht. Zacharias betätigte den Schlegel, so laut es ging. Dann wartete er. Als sich nichts rührte, schlug er den Schlegel wieder mehrmals hart gegen das Schild. Endlich drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Die Tür ging auf, ein alter Mann im Bademantel
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