Das Luxemburg-Komplott
und mit wirren weißen Haaren schaute verschlafen auf die Männer, die mitten in der Nacht diesen Krach veranstalteten. Der Mann wurde noch blasser, als er die bewaffneten Soldaten sah, die sich hinter Zacharias aufgebaut hatten. »Wir suchen den Herrn Dr. Wallenstein!« sagte Zacharias ruppig.
»Ja, ja«, stammelte der Mann. »Der Herr Doktor wohnt im zweiten Stock.«
Zacharias rannte mit den Soldaten die Treppe hinauf, bis er vor der Wohnungstür stand. Er klopfte. Als es nichts half, trommelte er. Dann sah er einen Lichtschein im Milchglas.
»Machen Sie auf! Wir kommen im Auftrag des Herrn Reichspräsidenten. Es eilt!«
Als die Tür sich einen Spalt öffnete, drückte Zacharias sie auf. Ein kleiner Mann stand vor ihm. Die Angst stand ihm in den Augen. Zacharias hielt ihm kurz die gefälschte Urkunde vors Gesicht. »Sie kommen mit in die Reichskanzlei. Danach bringen wir Sie wieder nach Hause. Wenn Sie einen Mucks tun, landen Sie im Leichenschauhaus. Ziehen Sie sich an.« Er hatte keine Zeit zu warten, ob der Notar hereinfiel auf die Fälschung.
Zacharias bedeutete einem Soldaten, den Notar zu begleiten. Es dauerte nicht lang, da war er wieder im Flur. Sie stiegen die Treppen hinunter, unten stand der Mann mit den wirren weißen Haaren an der Tür und kriegte den Mund nicht zu. Sie zwangen den Notar, sich zwischen den Fahrer und Zacharias zu setzen. Däumig stieg auf die Ladefläche. Er fürchtete vielleicht, dass der Notar ihn erkannte.
Sie rasten zur Wilhelmstraße und hielten direkt vor dem Eingangstor. Davor standen zwei Posten. Mit barscher Stimme forderte Zacharias einen Soldaten auf, den wachhabenden Offizier zu holen. Der Soldat klopfte an die Tür, eine Klappe öffnete sich, der Soldat flüsterte etwas, dann schloss sich die Klappe. Kurze Zeit später erschien ein Oberleutnant, die Hand auf die Pistolentasche gelegt. Zacharias zeigte ihm das Papier, während ein Soldat dem Notar den Karabinerlauf in den Rücken drückte. Der Offizier hielt das Papier ins Licht einer Laterne, dann ließ er seine Hand sinken und überlegte. »Warten Sie, ich werde es prüfen!«
»Wir haben keine Zeit!« sagte Zacharias. »Jetzt erreichen Sie in Weimar sowieso niemanden.«
»Das werden wir sehen«, sagte der Oberleutnant. »Ihren Namen bitte.«
Zacharias zog die Mauser und drückte sie dem Offizier in den Magen. »So heiße ich«, sagte er. »Und wir gehen jetzt gemeinsam ins Zimmer des Reichskanzlers.«
Der Oberleutnant wollte etwas sagen, aber Zacharias drückte ihm den Lauf noch fester in den Leib. Die beiden Posten an der Tür sahen nicht, was geschah.
»Los!« sagte Zacharias. »Wenn Sie einen Mucks tun, sind Sie tot. Es lohnt sich nicht. Wir wollen nur etwas nachschauen, seien Sie vernünftig, dann überleben Sie.«
Der Offizier schaute Zacharias wütend an, dann drehte er sich um und führte Zacharias mitsamt seinen Begleitern ins Palais. Das Gebäude war wie ausgestorben. Seit sich die Regierung nach Weimar abgesetzt hatte, gab es in der Reichskanzlei nicht viel mehr zu tun, als auf den Tag zu warten, an dem es der Reichsregierung beliebte, zurückzukehren in die Hauptstadt.
Das Zimmer des Reichskanzlers war abgeschlossen. Ein Soldat benutzte sein Bajonett als Brecheisen. Es knallte laut, als die Tür aufsprang. Der Oberleutnant schnaufte empört.
»Passen Sie auf den Oberleutnant auf!« befahl Zacharias einem Soldaten. Dann zog er den Notar zum Schreibtisch. Er war groß und fast leer. Darauf standen nur zwei Telefone. Eines hatte eine Wählscheibe, das andere eine Kurbel, wie Zacharias es aus dem Krieg kannte. Er nahm den Hörer des Kurbeltelefons und drehte am Kurbelgriff. Es knackte. »OHL, Feldwebel Schachner.«
»Hier Reichskanzlei. Geben Sie mir den diensthabenden Offizier.«
»Sofort. Bitte warten Sie.« Nach kurzer Zeit eine andere Stimme: »Hier Major Schleicher.«
Zacharias winkte den Notar heran und drückte ihm den Hörer ans Ohr. »Fragen Sie, welchen Rang der Mann hat, wo er sich aufhält und bei welcher Dienststelle er arbeitet.«
Zacharias drückte sein Ohr mit an den Hörer.
»Mit wem spreche ich?« fragte der Notar.
»Major Kurt von Schleicher.«
»Dienststelle?«
»Oberste Heeresleitung.«
»Ort?«
»Sagen Sie, wer sind Sie eigentlich?«
Zacharias nahm dem Notar den Hörer aus der Hand und legte auf. Dann öffnete er die Schreibtischschubladen. In der unteren Schublade einer Konsole fand er eine Mappe. Er blätterte darin und begann zu staunen. »So dumm kann man doch gar
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