Das Luxemburg-Komplott
werden muss. Aber die Genossin Luxemburg würde es fertigbringen, den Genossen Dserschinski in das finsterste Verlies Deutschlands zu werfen, obwohl er ein alter Freund ist. Die Polen verstehe einer; vor allem wenn sie Juden sind, gehen sie sich am liebsten gegenseitig an die Kehle. Sperren Sie vier von denen einen Tag lang in einen Keller, am Abend holen Sie fünf Leichen raus.« Er schüttelte den Kopf, als könnte er nicht glauben, was er gesagt hatte. »Und ich gehöre auch noch dazu.« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn, als wäre er überrascht.
»Na, dann müssen wir den Genossen Däumig bitten, seinen Parteinachrichtendienst, sagen wir, ein wenig aufzuwerten. Den Genossen der USPD kann man ja schlecht verbieten, wachsam zu sein und nicht nur ihre Partei zu beschützen, sondern auch die Regierung. Zumal die USP ja darin sitzt. Genosse Friesland, Sie sollten das Thema in der Sitzung der Zentrale schon ansprechen. Ich werde dort sein und Sie unterstützen. Aber wir sollten bis auf weiteres die Genossin Luxemburg nicht frontal angreifen. Dann hätten wir automatisch die Genossen Liebknecht und Jogiches gegen uns, selbst wenn Liebknecht in der Sache eher unserer Meinung sein dürfte.«
Friesland nickte. »Und der Genosse Zacharias muss es noch lernen, genau zu berichten und die Genossin Luxemburg ein wenig zu beeinflussen. Warum erzählen Sie ihr nicht von der Tscheka und den Erfahrungen, die Sie gemacht haben?«
»Könnte sein, dass sie mich dann loswerden will. Dann gelte ich ihr als russischer Agent. Also als das, was ich bin.«
Radek gackerte wie ein pubertierendes Mädchen. »Schön, dass Sie wissen, was Sie sind. Aber Sie müssen begreifen, was wir tun, ist zum Wohl des deutschen Proletariats und des russischen. Die Interessen der internationalen Arbeiterklasse sind identisch. Was der Sowjetmacht in Russland hilft, hilft auch der Sowjetmacht in Deutschland. Wenn wir nicht völlig einig sind, werden die Engländer, Franzosen und Amerikaner uns schlachten, einen nach dem anderen. Wir können dem Rest der Welt nur widerstehen, wenn kein Jota uns trennt.«
»Unsere Trumpfkarte ist die Hilfe, die die Sowjetmacht uns geben kann.« Friesland warf einen Blick auf Zacharias, als wollte er ihm etwas sagen. Vielleicht, dass die Nahrungsmittel aus der Wolgarepublik nun nach Deutschland geschickt würden und deswegen Moskau noch mehr hungern müsse. »Es wird hart«, sagte Friesland.
»Die russischen Werktätigen werden dieses Opfer gern bringen«, sagte Radek. Er schien es zu glauben.
Frag die Leute, die verhungern, weil die deutschen Proletarier gefüttert werden. Zacharias hätte es fast laut gesagt. Er schaute auf Sonja, aber die war im Geist woanders. Ihre Augen starrten an die Wand.
*
Am nächsten Morgen trafen sich die Mitglieder der Zentrale, sie saßen an einem ovalen Tisch. Liebknecht leitete die Sitzung. Zacharias setzte sich hinter Rosa Luxemburg und hoffte, nicht des Saales verwiesen zu werden.
Nach der Eröffnung bat Radek um das Wort. Er richtete pathetisch Grüße von Lenin aus, als würde er jeden Abend mit ihm telefonieren. Dann kündigte er die Nahrungsmittelhilfe für Deutschland an. Am Schluss bat er um Verständnis, wenn er eine Meinung äußere, die die Genossen nicht als Einmischung verstehen dürften. Schließlich sei er schon viele Jahre auch in der deutschen Arbeiterbewegung tätig. In Russland habe man die Erfahrung gemacht, dass der Klassenfeind alle Mittel einsetze, um die Sowjetmacht zu unterhöhlen. »Sie schicken bewaffnete Kräfte gegen uns, verbreiten Lügen und Hass in Zeitungen und Büchern, verstecken Lebensmittel, nutzen die Religionshörigkeit rückständiger Volksgruppen aus, vergiften Wasser und Nahrung, begehen Morde an Sowjetfunktionären, konspirieren mit Agenturen der internationalen Bourgeoisie, zerstören Verkehrswege und Lokomotiven und anderes mehr. Unsere Antwort darauf heißt Tscheka, das ist die Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung der Konterrevolution. Die Tscheka kämpft an allen Fronten, an denen die Rote Armee nicht kämpfen kann. Sie ist der Revolution treu ergeben und steht unter Leitung von Feliks Dserschinski, den manche hier im Raum als vorbildlichen Genossen kennengelernt haben.«
Er schaute erst Luxemburg, dann Jogiches an. Der Blick sagte: Das ist doch euer alter Genosse, der das macht. Warum soll das in Deutschland nicht nötig sein? »Ich habe mir überlegt, vielleicht den Genossen Dserschinski zu bitten, einmal in
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