Das Luxemburg-Komplott
war früher, heute ist heute.«
10
A
m Morgen kam Bronski zu ihm. »Wollen Sie hier einziehen?« fragte Zacharias. Sie saßen in der Küche, die Mutter war zur Arbeit.
Bronski schaute ihn böse an. »Ich habe Weisungen vom Genossen Dserschinski. Zuerst aber erwarte ich Ihren Bericht, Genosse Zacharias.«
»Ich kann nicht mehr berichten, als allgemein bekannt ist. Die Revolution ist nicht gesichert, in der Regierung zeigen sich Risse zwischen Liebknecht und den anderen. Liebknecht ist selbstherrlich und glaubt an die Macht seines Willens. Wenn Moskau auf ihn setzt, begibt sich die sowjetische Partei in ein gefährliches Spiel. Liebknecht ist unberechenbar, heute behauptet er dies, und morgen macht er das Gegenteil.« Zacharias hätte nicht in jeder Einzelheit beweisen können, was er behauptete. Aber er war sicher, Liebknecht richtig zu beschreiben. Außerdem durften die Bolschewiki nicht auf Liebknecht setzen, statt dessen mussten sie sich mit Rosa, Haase und den anderen arrangieren.
»Das lassen Sie mal unsere Sorge sein. Ich werde nach Moskau melden, dass Sie Liebknecht nicht sonderlich schätzen.«
»Wenn Sie die Gründe mitlieferten, wäre es hilfreich.«
»Natürlich«, sagte Bronski.
Wenn der so meldete, wie Zacharias es in Sowjetrussland in vielen Fällen erlebt hatte, dann kam in Moskau allerhand an, vor allem aber das, was sich der Genosse Bronski aus irgendwelchen Gründen wünschte. Außerdem geriet in den Zeiten des verschärften Kampfs um die politische Linie jede Meldung zur Munition, ob Treffer, ob Rohrkrepierer.
»Der Genosse Lenin sollte sich mit der Genossin Luxemburg treffen«, sagte Zacharias. »Melden Sie auch diesen Vorschlag nach Moskau.«
»Natürlich«, sagte Bronski, und der Tonfall verhieß nichts Gutes. Wahrscheinlich hielt er Zacharias für ü bergeschnappt. »Aber jetzt reden wir über die Weisungen. Am wichtigsten ist, dass Sie sich zusammen mit dem Genossen Friesland einsetzen für den Beitritt der KPD zur neuen Internationale. Der Genosse Lenin schlägt vor, deren Sitz nach Berlin zu verlegen, sobald die Revolution in Deutschland gesiegt hat. Was er nicht gesagt hat, aber für selbstverständlich hält, ist, dass dann die deutsche KP die Lehren des Bolschewismus anwendet. Entscheidend ist die Vereinigung der KPD mit der USPD auf bolschewistischer Grundlage …«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Zacharias ungeduldig. »Aber das bedeutet Ärger mit Rosa Luxemburg und einigen anderen.«
»Richtig, aber ist es nicht so, dass in den deutschen Parteien die Mehrheit den Ausschlag gibt? Also müssen Sie helfen, dass die richtige Linie eine Mehrheit findet. Halten Sie sich da genau an den Genossen Friesland. Die Genossin Luxemburg hat sich der Mehrheit gebeugt, als die auf dem Gründungsparteitag die Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung ablehnte. Das war grundfalsch, und Luxemburg hatte recht. Aber, wie gesagt, die Mehrheit entscheidet. Wir machen das ganz demokratisch.« Bronski grinste.
»Schön, ich werde also mit dem Genossen Friesland reden.«
»Sie werden nachher abgeholt.«
Zacharias ahnte, wer ihn abholen würde.
Bronski fuhr sich durch die Haare. »Der nächste Punkt: Wir brauchen einen deutschen Geheimdienst, der eng mit der Tscheka zusammenarbeitet. Der Genosse Dserschinski beauftragt Sie, in dieser Frage zu sondieren. Außerdem sollten Sie Ihren Einfluss geltend machen, damit die deutsche Rote Armee bald einem neuen Oberbefehlshaber unterstellt wird.«
»Sie wollen, dass Däumig abgelöst wird.«
»Däumig redet viel und tut wenig.«
»Immerhin hat er Weimar genommen, die Nationalversammlung verjagt und Ebert verhaften lassen.«
»Das waren nicht Däumigs Verdienste, sondern die von Arbeitern vor Ort. Däumig hat keinen Einfluss auf die bewaffneten Kräfte der Revolution, jedenfalls nicht auf die außerhalb Berlins. Wir bieten der Revolutionsregierung an, dass erfahrene Kader der sowjetischen Roten Armee die erforderlichen Strukturen schaffen. Ohne klare Kommandostrukturen und ohne eindeutige ideologische Ausrichtung wird die deutsche Rote Armee scheitern und mit ihr die Revolution.«
Als Bronski gegangen war, saß Zacharias noch lange am Tisch und überlegte. Moskau will die Revolution in Deutschland retten, kein Zweifel. Aber die Genossen glauben, dies gehe nur auf sowjetische Art. Und weil sie dies glauben, wollen sie die deutschen Parteien nach eigenem Vorbild umbauen. Und nicht nur die, sondern auch den Staat. Vielleicht hatte Lenin recht,
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