Das Luxemburg-Komplott
Deutschland über seine Erfahrungen zu berichten, sollte er für eine Zeit abkömmlich sein in Russland.«
»Der Genosse Radek schlägt uns hier nicht weniger vor, als den roten Terror auszurufen«, warf Rosa ein.
»Ja, und wenn es so ist? Was wäre daran falsch?« fragte Pieck.
»Falsch ist daran nicht zuletzt, dass der rote Terror sich keineswegs nur gegen den Klassenfeind richtet, sondern auch gegen Strömungen der russischen Sozialdemokratie.«
»Die sich auf die Seite des Klassenfeindes gestellt haben«, sagte Radek.
»Das ist doch Unsinn«, widersprach Luxemburg. »Das mögen Sie gutgläubigen Nachwuchskommunisten erzählen. Martow und seine Genossen von den Menschewiki fordern Meinungsfreiheit für Sozialisten. Was ist daran konterrevolutionär? Anscheinend gilt als richtig nur das, was der Genosse Lenin oder das bolschewistische Zentralkomitee verkündet, alles andere dient per se dem Klassenfeind. Wenn wir in Deutschland so vorgingen, müssten wir die Genossen der USP verhaften und die Genossen der USP uns.«
Gelächter im Kreis. Auch Radek lachte mit, nicht aber Pieck und Friesland.
»Die Genossin Luxemburg hat recht, man kann die Lage in Russland nicht mit der Lage in Deutschland gleichsetzen«, sagte Radek.
Zacharias bewunderte Radeks rhetorischen Kniff.
»Aber es gibt Fragen, vor denen die Arbeiterklasse jedes Landes steht, wenn sie die Macht ergreifen will. Die wichtigste Frage ist, wie man den unausweichlichen Widerstand des Klassenfeindes bricht.«
»Das ist doch Gequatsche.« Jogiches saß Radek gegenüber. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Radek muss uns doch nicht belehren, dass es einen Klassenfeind gibt. Hier geht es um die Frage, ob wir andere sozialistische Strömungen verfolgen sollen, so, wie es in Russland geschieht. Die linken Menschewiki führen keinen bewaffneten Kampf gegen die Sowjetmacht, bisher jedenfalls nicht. Sie kritisieren die Parteidiktatur, und die kritisieren wir auch. Da sind wir Martow näher als Lenin.«
»Und was ist mit der deutschen Sozialdemokratie, was ist mit Ebert und Scheidemann?« fragte Radek. »Sind das auch Genossen, mit denen wir, sagen wir mal, ein paar Meinungsverschiedenheiten haben, die wir in der Debatte austragen?«
»Sie sind ein Demagoge, Radek!« rief ein langer, dünner Mann.
Das musste Paul Levi sein, Luxemburgs Anwalt, auch Mitglied der Zentrale und Redakteur der Roten Fahne. Komisch, dass Zacharias den jetzt zum ersten Mal richtig wahrnahm. Genauso komisch, dass er ihn gleich erkannt hatte. Vielleicht weil er vor dem Krieg so viel gelesen hatte über ihn.
»Sie scheren alles über einen Leisten. Die deutsche Arbeiterbewegung hat eine demokratische Tradition, die russische nicht. Das werfe ich Ihnen nicht vor, daran sind Sie und Lenin und Trotzki natürlich unschuldig. Aber ersparen Sie uns Ihren Konspiratismus. Sie haben so freundlich darum gebeten, dass die Broschüre der Genossin Luxemburg über die russische Revolution nicht veröffentlicht wird. Solidarität, sagen Sie. Dabei geht es Ihnen in Wahrheit doch nur darum, dass wir Ihre Methoden übernehmen. Sie wollen aus uns Bolschewisten machen. Das sind wir aber nicht. Wir bekämpfen den Klassenfeind auf unsere Weise. Wo er zur Waffe greift, antworten wir mit der Waffe. Wo er zu Argumenten greift, antworten wir mit Argumenten.«
Friesland warf ein: »Sie sind ein Träumer, Genosse Levi!«
»Meinetwegen«, sagte Levi. »Ichträume in der Tat, dass wir ohne Terror auskommen, wie gut er auch immer begründet scheint. Und ich glaube, dass dieser Traum Wirklichkeit wird.«
Radek hörte sich alles lächelnd an. »Wenn Sie die Bourgeoisie und ihre Helfer nicht unterdrücken, und ich sage, mit der Waffe unterdrücken, mit der Tscheka unterdrücken, dann werden sie eines Tages der Revolution das Genick brechen. Sie werden sich sammeln, sie werden Bündnispartner finden, auch in der Arbeiterbewegung, denken Sie doch nur an die Millionen von Arbeitern, die bis vor kurzem noch auf Ebert schworen und von denen es gewiss manche heute noch tun. Die Gewerkschaftsführer, die sich bedroht fühlen, die Leiter der Konsumgenossenschaften, die Vorsitzenden von Vereinen.«
»Sagen Sie es doch klipp und klar, Sie wollen, dass wir festlegen, wer unsere Feinde sind, und dass wir die so gefundenen Feinde dann ins Gefängnis sperren oder an die Wand stellen. Stimmt das, Genosse Radek?« Rosa blieb ruhig, aber Schärfe lag in ihrer Stimme.
»Nicht umsonst habe ich vorgeschlagen, den Genossen
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