Das Luzifer Evangelium
aufgeben. Dann geht der Text weiter: In der Grabkammer im dritten Abschnitt der Steine liegen einhundert Goldbarren. Neunhundert Talente werden von den Schichten zur oberen Öffnung verdeckt, am Grund der großen Zisterne auf dem Hofplatz innerhalb des Säulenganges.*«
* Übersetzt von der englischen Übersetzung des hebräischen Originals.
»Wurde je einer dieser Schätze gefunden?«
»Viele meinen, die Schätze wären frei erfunden – und die Kupferrolle eine Räuberpistole. Die Forscher sind sich bis heute nicht einig, ob es sich bei der Kupferrolle um eine Schatzkarte oder kompletten Nonsens handelt. Aber warum um alles in der Welt sollten irgendwelche Spaßvögel aus dem Altertum so viel Zeit, Kraft und Ressourcen auf solchen Unsinn und solche Spielereien verwenden? Zuerst einmal hätten sie das Metall herstellen und in dünne Scheiben auswalzen müssen, um dann einen Text von tausendfünfhundert Worten einzumeißeln, Millimeter für Millimeter. Und das alles bloß, um Archäologen der Nachwelt an der Nase rumzuführen?«
»Den Spaß gönne ich ihnen.«
»Ein Detail an den Kupferrollen verwirrt die Fachleute, insbesondere die Linguisten und Paläografen, nämlich die unbeholfene Sprache und Orthografie. Die Sprachforscher haben über dreißig Schreibfehler gezählt. Wie kommt das? Die Schreiber jener Zeit waren Schriftgelehrte. Manche meinen, dass der Text möglicherweise von einem ausländischen Schreiber kopiert wurde, der der Sprache nicht mächtig war. Oder vielleicht musste es auch sehr schnell gehen, da der Ausbruch des jüdisch-römischen Krieges im Jahr 66 unmittelbar bevorstand. Später spekulierte man, ob die Kupferrolle womöglich ein Wegweiser zu den einzigartigen religiösen Schätzen des Ersten und Zweiten Tempels in Jerusalem war. In diesem Fall geht es nicht um Gold und Silber, Edelsteine und wertvolle Handschriften, sondern um die Bundeslade oder die Steintafeln mit den Zehn Geboten. Dabei hat niemand begriffen, was die Kupferrolle tatsächlich war. Weder die Archäologen noch die Historiker. Genauso wenig die Theologen und Paläografen. Meine Vorgänger vom Luzifer-Projekt dahingegen schon.«
»Und was war sie nun in Wirklichkeit?«
»Verborgen in der Beschreibung der Schätze hat man etwas ganz anderes entdeckt: eine Chiffre. Einen Code.«
2
»Die Kupferrolle 3Q15 wurde 1952 gefunden«, sagte CC . »Aber erst in den Sechzigerjahren lagen erste offizielle Übersetzungen vor. Tatsache ist, dass unsere Leute – amerikanische und israelische Archäologen, Linguisten, Paläografen und andere Experten – bereits im Jahr des Fundes eine vorläufige Übersetzung angefertigt haben. Und der entscheidende Punkt ist, dass es ihnen gelang, den Code zu knacken.«
»Wie lautete die Botschaft?«
»In der Kupferrolle werden vierundsechzig unterirdische Verstecke aufgelistet, alle im Bereich des heutigen Israel, in denen tonnenweise Gold-und Silberschätze eingelagert wurden. Aber der geheime Code enthüllte etwas ganz anderes, nämlich den Fundort einer Bronzerolle. Die Essäer stellten die Kupferrolle her, um den verschlüsselten Hinweis auf das Versteck der Bronzerolle zu tarnen.«
»Die sie aufgespürt haben?«
»Ja.«
»Und was stand darin?«
CC nahm das Tempo zurück. »Die Bronzerolle enthielt einen weiteren Hinweis. Auf eine andere Höhle. Hinter einer künstlichen Wand in einer Grotte in Qumran hatten die Essäer eine Silberrolle versteckt. Aber damit nicht genug: Die Silberrolle enthielt das Triquetra-Zeichen und die Umrisse des Pfaues Melek Taus. Verstehen Sie, wieso wir Zusammenhänge erkennen, wo andere nur Chaos und Verwirrung sehen?«
3
»Sie müssen wissen, Bjørn, dass weder der Fund der Bronzerolle noch der Silberrolle öffentlich bekannt wurden. Weniger als hundert Personen wissen von ihrer Existenz. Sie sind jetzt einer davon.«
Die ganzen Handschriften und Metallrollen begannen mich allmählich zu verwirren. »Welche Art von Information beinhaltet die Silberrolle?«, fragte ich. »Noch einen Code? Eine weitere Anleitung?«
»Die Silberrolle enthält eine epische und mythologische Erzählung. Die Sprache, Akkadisch, ist holperig und unbeholfen. Aber dafür gibt es eine Erklärung. Der Schreiber der Silberrolle hatte eine andere Muttersprache als die dort lebenden Babylonier. Um es vorsichtig auszudrücken: Er hat sich die Sprache seiner neuen Heimat mühsam angeeignet. Er wollte, dass das, was er schrieb, gelesen und verstanden wurde, auch noch in tausend Jahren. Es
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