Das Luzifer Evangelium
bremsen. Sie haben es ja mit eigenen Augen gesehen.«
»Wenn ich ehrlich sein soll, ich finde, dass er ziemlich ungemütlich aussah.«
»Ich glaube, wir hätten ihn gemocht, Bjørn. Obwohl er so groß und anders war.«
4
»Wieso hat er diese Texte überhaupt geschrieben?«
»Wir glauben, dass Oûäh und sein Volk uns helfen und ihr Wissen mit uns teilen wollten. Technologisch war Oûähs Zivilisation den Menschen um Zehntausende von Jahren voraus. Ich denke, sie haben sehr frühzeitig erkannt, dass die Menschen viel zu primitiv waren, als dass sie im Tausch gegen ihr Wissen irgendetwas Nützliches zurückbekommen hätten. Das Wissen, das er von seinem Planeten mitgebracht hatte, war zu hoch für uns. Trotzdem wollte er, dass die Nachwelt erfuhr, dass sie hier gewesen waren. Darum sorgte Oûäh dafür, dass er selbst – und alle Spuren, die zu ihm führten – so lange verborgen blieb, bis die Menschheit ein Niveau erreicht hatte und reif genug war, ihn zu verstehen und richtig zu interpretieren. Über die Dinge hinaus, die Oûäh im Turm zu Babel hinterließ, schrieb er zwei Texte – die Goldrolle und die Silberrolle –, die dafür sorgen sollten, dass sein Versteck irgendwann gefunden wurde und wir dann verstanden, wer er war. Aber erst, wenn wir reif dafür waren.«
»Halt, warten Sie. Die Goldrolle? Die haben Sie bisher noch gar nicht erwähnt.«
»Die Goldrolle ist leider verloren gegangen. Sie wurde, wie der Name schon sagt, auf reinem Gold geschrieben. Dort gibt er die exakte Position des Turms zu Babel an, in Form einer Reihe von Koordinaten, die wie geometrische und mathematische Angaben angeordnet sind. Aber wie Sie wissen, waren diese Informationen für die Menschen damals bis in unsere heutige Zeit nicht zu gebrauchen. Erst als wir Zugriff auf den kompletten Text und die gesamte Formelreihe hatten, ist es Dr. Gordon und ihrem Team gelungen, die Codes zu dechiffrieren, die wir brauchten, um die Koordinaten des Turms zu Babel zu finden.«
»Silberrolle … Goldrolle … Und was ist dann Luzifers Evangelium ?«
»Ich weiß, es hört sich seltsam an, aber Luzifers Evangelium lässt sich am besten als Sicherheitskopie beschreiben. Natürlich nicht im computertechnischen Sinn, aber der akkadische Text in der linken Spalte ist beispielsweise eine Abschrift der Silberrolle. Während die Symbole und Zeichen in der rechten Spalte die entsprechende Abschrift der Goldrolle sind. Luzifers Evangelium wurde auf einem außerirdischen Stoff geschrieben, der nicht zerfällt oder sich auflöst. Eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme von Oûäh, falls dem Originaltext etwas zustoßen sollte. Und genau so war es ja.«
»Und wo hat er das alles versteckt?«
»Die Goldrolle und die Silberrolle hatte er in einem soliden Gewölbe versteckt.«
»Und trotzdem sind sie entdeckt worden.«
»Das Gewölbe, das er bauen ließ, war zu seiner Zeit das solideste und uneinnehmbarste Versteck, das es gab. Und heute noch gibt. Sie haben es selbst gesehen. Mit Ihren eigenen Augen.«
»Wo? Wann?«
»Versetzen Sie sich einmal in Oûähs Lage. Er ist allein, in einem Tempelturm in Babylon, Tag für Tag, Nacht für Nacht, und schreibt an seiner Überlieferung für die Nachwelt. Alle anderen, die mit ihm zusammen gekommen sind, sind tot. Er wird wie ein Gott verehrt. Aber er weiß, dass alles vergänglich ist. Neue Herrscher zerstören oft alles, was ihre Vorgänger aufgebaut haben. Er kennt die Natur des Menschen. Darum sichert er sich ab. Der Tempelturm, in dem er lebt, wurde hermetisch gegen Grabräuber versiegelt. Sie wissen ja selbst, wie wir die Pforte geöffnet haben. Primitive Grabräuber hätten keine Chance gehabt. Oûäh sah voraus, dass der Turm, der auf dem soliden Fundament stand, in dem er seine Wohnstatt hatte, früher oder später einstürzen würde und damit die Versiegelung des Versteckes noch verstärken würde. Aber wenn er zu gut versteckt war, würden er und das, was er zu hinterlassen hatte, niemals gefunden werden. Darum sah er sich nach einem Versteck im Ausland um, wo er die Hinweise platzieren konnte, also die Goldrolle und die Silberrolle. Er suchte ein solides Bauwerk, das Jahrtausende überleben würde, etwas, das so spektakulär war, dass es für die Nachwelt niemals an Faszination verlieren würde. Auf diese Weise, überlegte Oûäh, würden die Menschen irgendwann das Versteck entdecken – hoffentlich in einem Stadium der Zivilisationsentwicklung, in dem sie verstanden, was sie vor sich hatten. Den
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