Das Luzifer Evangelium
fünften Jahrhundert wird aus einer dreihundert Jahre alten Abschrift des Kodexes zitiert. In einer Passage wird auf ein Ereignis hingewiesen, das sich in 1 647 000 Tagen zutragen soll. Also in unserer Gegenwart.«
»Und was soll passieren – in unserer Zeit?«
»Im Neuen Testament finden wir eine ähnliche – wenn auch allegorischere – Darstellung, in der Offenbarung des Johannes:
Wer Verstand hat, der deute die Zahl des Tieres! Denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist 666.*
* Offenbarung des Johannes, Kap.13, Vers 18
666 ist eine mystische Zahl. Mit der Zeit hat sich eine regelrechte Pseudowissenschaft um die Interpretation dieser Zahl entwickelt. Lesen Sie, was unser Freund Giovanni Nobile in einem seiner Texte geschrieben hat.«
Er reichte mir ein maschinengeschriebenes Blatt in einer Klarsichthülle.
Viele glauben, die Zahl des Tieres in Johannes’ Offenbarung – 666 – sei ein Zahlencode für den verhassten Kaiser Nero. Die Symbolik um die 666 gründet sich vermutlich auf eine Missdeutung der babylonischen Keilschrift. Die Babylonier schrieben zur Verschlüsselung des Namens ihres Gottes Marduk die heilige Zahl 3661:
Die Juden im babylonischen Exil haben die Zahl falsch gelesen. Als ihnen bewusst wurde, dass die drei Keile für den Gott der Babylonier standen, den Feind der Juden, übersetzten sie die Zeichen in die Zahl 666. Sie wussten nichts über babylonische Mathematik und vermischten die Zahlen mit ihren eigenen hebräischen Zeichen. Anstelle der 3661 lasen die Juden eine 666. Aber die Keilschriftzeichen bedeuteten nicht 666. Die mesopotamische Mathematik wurde im Sexagesimalsystem dargestellt (einem Stellenwertsystem zur Basis 60), und da Gleitkommazahlen durch Kommata getrennt markiert wurden, musste 1, 1, 1 als 3661 gelesen werden. Der erste Keil des Positionssystems stand für die Zahl 3600, der zweite Keil für 60, der dritte für 1. So wurde der heimliche Zahlencode für den babylonischen Gott Marduk, 3661, in die Zahl des Tieres in der Offenbarung uminterpretiert: 666. Und so hat die avancierte babylonische Mathematik die jüdische und christliche Mythologie beeinflusst.
»Wenn ich auch die Mathematik nicht ganz verstehe, so doch zumindest das Prinzip.« Ich gab dem Professor das Blatt zurück.
»In den alten Schriften steht, dass der Fürst mit einer Menschenhure einen Sohn zeugen wird, und dieser Prinz wird ein mächtiger Herrscher über alle Länder und Reiche der Welt werden. «
»Satan soll einen Sohn mit einer Frau zeugen? Einer Hure? Luzifers Evangelium enthält die Prophezeiung, dass Satan – im Jahr 2012 – eine Prostituierte schwängert, die seinen Sohn gebiert, damit er die Herrschaft über die Welt übernimmt?«
»So steht es geschrieben. Eine Verspottung der unbefleckten Empfängnis Marias. Gehen wir einmal davon aus, dass der Text zweitausendfünfhundert Jahre vor Christus geschrieben wurde. Ich sage nicht, dass die Prophezeiung richtig ist, ich zitiere nur daraus. Bis 2012 sind es keine drei Jahre mehr. Wir können nicht ausschließen, dass diejenigen, die kaltblütig morden, um die Handschrift in die Hände zu bekommen, ein religiöses Motiv haben. Sie brauchen den Text, um die Prophezeiung zu erfüllen.«
Ich sah zu Monique, wollte wissen, wie sie reagierte. Ihre ganze Konzentration war auf ihr Strickzeug gerichtet.
»Millionen von Menschen sind überzeugt, dass Jesus Christus wiederauferstehen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten«, sagte ich. »Warum sollte es da weniger wahrscheinlich sein, dass auch Satans Sohn, der Antichrist, zurückkehren wird?«
»Wo haben Sie die Handschrift, Bjørn?«
Die Frage war verzeihlich und nachvollziehbar. Als Theologe und Forscher wollte Aldo Lombardi natürlich diese alte und sensationelle Handschrift untersuchen. Dennoch löste die Summe aller Dinge – sein Eifer, mich nach Rom zu locken, die Security-Leute, die überall bereitstanden, all die Erklärungen und Behauptungen – ein gewisses Misstrauen gegenüber seinen Motiven aus.
»Die Handschrift ist in Sicherheit.«
»Sie müssen die Handschrift unbedingt jemandem anvertrauen, der sie konservieren und deuten kann. Aber das wissen Sie natürlich selbst am besten. Ich kann verstehen, dass Sie das Manuskript wie Ihren Augapfel hüten und nicht jedem x-Beliebigen überlassen wollen.«
Er versuchte erfolglos, seinen verbissenen Eifer zu unterdrücken. Draußen, irgendwo in dem Wald aus Kirchturmspitzen, Türmen und Kapellen, hörte ich,
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