Das Luzifer Evangelium
anriefen und nach Giovanni Nobile fragten!«
Ich wollte ihm sagen, dass ich ihn gar nicht angerufen hatte, sondern von der Zentrale zu ihm durchgestellt worden war, weil er mir eventuell etwas über Nobile sagen konnte. Aber mein Herz hämmerte derart wild, dass meine Stimme versagt hätte.
Monique hatte ihr Strickzeug auf dem Schoß abgelegt und beobachtete uns interessiert.
»Wie haben Sie erfahren, dass ich im Besitz der Handschrift bin?«, fragte ich schließlich.
»Einer unserer Kontakte hat uns einen Tipp gegeben, nachdem Sie aus Kiew zurück waren.«
»Trygve Arntzen!«
Reine Vermutung, aber Lombardis Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
»Wir geben grundsätzlich nicht die Identität unserer Informanten preis.«
Am Árni-Magnússon-Institut habt ihr offensichtlich keinen Informanten, dachte ich zufrieden. Darum hatten sie auch nicht mitbekommen, dass ich in Island gewesen war.
Monique nahm ihren Notizblock, als wollte sie eine Frage notieren, doch sie schrieb kein Wort. Dafür musterte sie Professor Lombardi misstrauisch. Als ich sie ansah, schlug sie die Augen nieder.
»Sie müssen erschöpft sein«, sagte der Professor. »Gönnen wir uns ein wenig Nachtruhe. Morgen werden wir unsere Unterhaltung weiterführen.«
Weder Monique noch ich wünschten ihm eine gute Nacht.
Professor Aldo Lombardi verabschiedete sich, formal und steif, setzte seinen Borsalino auf den Kopf und verließ uns.
Ich weiß nicht, wieso ich mir immer wieder die Mühe mache, Menschen zu vertrauen. Vielleicht liegt das am Verrat meiner Mutter. Oder an dem meines Vaters. Meine Kindheit kommt mir vor wie ein Jammertal der Verlogenheit. Aber möglicherweise verzerre ich in meiner Erinnerung auch einiges, das will ich nicht ausschließen.
3
»Sie trauen ihm nicht?«, schrieb Monique auf ihren Notizblock.
»Und Sie?«
Wir waren vom Esstisch zur Sitzgruppe umgezogen. Ich hatte mir ein Glas Rotwein eingeschenkt. Das Küchenfenster und die Fensterflügel zu dem französischen Balkon standen offen. Eine angenehme Brise strich durch die Wohnung.
Ich nahm ihr den Notizblock und den Stift weg und schrieb: »Ich glaube, die Wohnung wird abgehört.«
Sie sah sich um, biss sich auf die Oberlippe und zog die Schultern hoch.
»Diese Sekte ………«, schrieb sie und ließ den zwei Worten eine lange Reihe vielsagender Punkte folgen.
»Als der Professor mich das erste Mal angerufen hat, anonym, war ich überzeugt, er wäre einer von denen«, schrieb ich.
Das bloße Zu-Papier-Bringen des vagen Verdachts konkretisierte meine Unruhe.
»Das Ganze birgt eine absurde Form von Logik«, fuhr ich fort. »Er spielt die Rolle unseres Beschützers. Dabei könnte er in Wirklichkeit sehr wohl einer von denen sein.«
»Aldo? Niemals!«, schrieb Monique.
»Die ganze Geschichte von Giovanni Nobile könnte eine Erfindung sein, um mich in Aldo Lombardis Netz zu locken.«
Sie bewegte den Stift nicht.
»Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mann wie Aldo Lombardi drei Morde auf dem Gewissen haben soll«, schrieb ich.
»Unmöglich! Er hat nichts damit zu tun!«, antwortete sie.
»Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Absolut nicht.«
Ich stand auf, trat an den französischen Balkon und schaute über die Dächer von Rom. Am Himmel blinkte ein Flugzeug. Monique stellte sich neben mich. Schweigend standen wir in dem offenen Fenster.
»Ich denke trotzdem, es wäre das Gescheiteste, wenn wir verschwinden«, schrieb ich auf ihren Notizblock. »Sicherheitshalber.«
»Wohin?«
»Einfach nur weg! Bis wir hundertprozentig sicher sind, wem wir trauen können.«
»Lassen Sie uns warten!« , schrieb sie. »Abwarten, was passiert!«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was haben Sie vor?«
»Zuerst muss ich Bolla aus dem Parkhaus holen. Dann fahren wir aus der Stadt und suchen ein Hotel«, schrieb ich.
»Das Gebäude wird überwacht!«
»Ich weiß. Sehen Sie den Lieferwagen dort unten? Den mit den verdunkelten Scheiben? Der steht da schon, seit wir gekommen sind.« Ich nickte zu einem Gerät in einer Zimmerecke unter der Decke. »Ein Sensor! Der auf Bewegungen und Körperwärme reagiert.«
»Sie merken sofort, wenn wir die Wohnung verlassen.«
»Darum bleiben Sie hier. Bis ich zurückkomme und Sie hole«, schrieb ich.
Sie umfasste mein Handgelenk, um mich zurückzuhalten. Ich versuchte, sie zu beruhigen, aber sie schüttelte energisch den Kopf und hielt mich fest. Ich befreite mich aus ihrem Griff und schrieb: »Keine
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