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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Großmeister nickte den beiden jungen Männern zu, worauf sie in Giovannis Arbeitszimmer gingen. Giovanni konnte sie von seinem Platz aus nicht sehen, hörte sie aber seine Unterlagen durchwühlen. Sie zogen Schubladen heraus, öffneten Schranktüren und warfen Papier auf den Boden.
    »Wenn ich es Ihnen doch sage, das Manuskript ist nicht hier!«, rief Giovanni.
    »Wollen Sie wirklich das Leben Ihrer Tochter für eine Handschrift riskieren?«, fragte der Großmeister.
    »Giovanni!«, schluchzte Luciana.
    »Natürlich nicht. Ich sage die Wahrheit. Ich habe das Manuskript nicht hier bei mir zu Hause. Es ist in der Universität! Natürlich ist Silvana mir wichtiger! Was glauben Sie denn?«
    Die Augen des Großmeisters flackerten kurz.
    »Als Sie aus Ägypten gekommen sind, haben Sie das Manuskript mit zu sich genommen, nicht wahr?«
    »Ja, aber jetzt ist es in der Universität.«
    »Die Fahrradtour«, flüsterte der Primus Pilus dem Großmeister zu.
    Der Großmeister starrte Giovanni ungläubig an. »Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass Sie mit Luzifers Evangelium im Rucksack durch Rom geradelt sind?« Die Frage klang fast wie eine Zurechtweisung.
    »Doch«, erwiderte Giovanni etwas kleinlaut.
    »Hier ist nichts«, rief einer der Männer aus dem Büro.
    »Sucht weiter!«, antwortete der Großmeister. Dann richtete er seinen Blick auf Giovanni. »Sie sind Professor! Theologe! Sie wissen doch, dass man alles, was heilig ist, mit Andacht und größtem Respekt behandeln muss. In einem Rucksack? Und wenn man Sie angefahren hätte? Haben Sie denn gar keinen Respekt vor …«
    Der Primus Pilus legte seine Hand auf den Unterarm des Großmeisters.
    Giovanni atmete schwer. Der Mann hatte recht. Es war verantwortungslos gewesen, das Fahrrad zu nehmen.
    »Wo ist Silvana?«
    »Silvana ist bei uns«, erklärte der Primus Pilus.
    »Warum?«
    »So steht es geschrieben«, sagte der Großmeister.
    »Geschrieben? Wo?«
    »Professor Nobile«, sagte der Primus Pilus, »ein herausragender Akademiker wie Sie kennt doch wohl die Bedeutung von Ritualen, von Traditionen – das sind die roten Fäden, die sich durch die Glaubensgeschichte ziehen.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »In einer alten Weissagung heißt es: Es wird der Tag kommen, an dem die jungfräuliche Unschuld im Sarg ruht und Luzifers strahlender Glanz … «
    »Im Sarg?«, schrie Luciana.
    »Rituale sind heilig«, sagte der Großmeister.
    »Was für ein Sarg?«, flehte Luciana ihn an. »Was meinen Sie mit Sarg ?«
    »Mit den Ritualen achten und ehren wir die Vergangenheit.«
    »In Rom wurden Vestalinnen, die der Unkeuschheit verdächtigt wurden, in einer Höhle mit Wasser und Brot eingemauert, aus der die Göttin Vesta sie retten konnte, falls sie unschuldig waren«, sagte der Primus Pilus.
    »Als Theologe wissen Sie, Professor Nobile, dass St. Kastulus im Jahre 286 lebendig im Sand der Via Labicana begraben wurde«, sagte der Großmeister. »Wie der christliche Märtyrer St. Vitalis lebendig bei Mailand begraben wurde.«
    »Lebendig begraben?«, jammerte Luciana.
    »Was haben Sie mit Silvana gemacht?«, fragte er.
    »Nicht nur christliche Märtyrer wurden solchen Ritualen unterzogen«, sagte der Primus Pilus. »Fateh und Zorawar, die beiden jüngsten Söhne von Gobind Singh, dem Guru der Sikh, wurden in eine Mauer eingemauert, als sie sich weigerten, zum Islam überzutreten.«
    »Gott im Himmel, Sie haben sie doch wohl nicht lebendig begraben!«, rief Giovanni.
    Luciana schrie auf.
    Wie Flaschengeister materialisierten sich die beiden Muskelmänner im Wohnzimmer. Mit einer Handbewegung signalisierte der Großmeister ihnen, ruhig zu bleiben.
    »Natürlich nicht. Bitte, beruhigen Sie sich.« Er hob nicht einmal die Stimme. »Das Ritual ist rein symbolisch.«
    »Wie … symbolisch? Wie meinen Sie das … symbolisch?«
    »Nicht so laut, Nobile. Wir wollen doch nicht Ihre Nachbarn stören, nicht zu dieser Tageszeit.«
    Giovanni begann zu weinen.
    »Wer sind Sie? Ich flehe Sie an, sie ist doch noch ein Kind! Was sind Sie nur für Menschen!«
    Der Großmeister und der Primus Pilus seufzten, als wären sie es langsam leid.
    »Silvana geht es gut«, sagte der Großmeister noch einmal.
    »Sagen Sie, dass Sie sie nicht begraben haben! Bei lebendigem Leib!«
    »Wenn Sie wollen. Sie ist nicht lebendig begraben worden«, sagte der Primus Pilus.
    »Unser Ritual zieht symbolisch eine Verbindungslinie in die Vergangenheit«, sagte der Großmeister. Der Primus Pilus nickte. »Unser Orden ist

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