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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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verstanden?«
    »Das haben wir. Was für ein Sarg?«
    »Ich betone das nur, um Ihnen klarzumachen, dass Sie keine voreiligen Schritte unternehmen sollten. Das ist ein Spiel zwischen Ihnen und uns. Mit Silvanas Leben als Einsatz.«
    Niemand sagte etwas.
    »Mein Gott!«, stöhnte Luciana. »Sie können doch nicht …«
    Die vier standen auf.
    »Wir melden uns morgen Vormittag. Dann besprechen wir, wie und wann Sie uns das Manuskript übergeben.«
    »Und wo und wann wir Silvana zurückbekommen«, fügte Giovanni hinzu.
    »Versuchen Sie, ein bisschen zu schlafen«, sagte der Primus Pilus. »Man handelt weniger irrational, wenn man ausgeschlafen ist.«
    Die Männer verließen die Wohnung und schlossen die Tür hinter sich. Über Lucianas leises Schluchzen hinweg hörte Giovanni ihre Schritte auf der Treppe. Dann fiel unten die Haustür ins Schloss.
    *
    Ein Sarg …
    Er war nicht in der Lage, sich auszuziehen und hinzulegen. Also blieb er auf dem Sofa sitzen. Er zitterte. Verzweifelt suchte er nach einer glaubwürdigen Erklärung für Umberto Gialli, damit dieser ihm die Handschrift wieder aushändigte. Luciana ging ins Bad und drehte die Dusche auf. Er lauschte dem Plätschern des Wassers und dem Rauschen des Verkehrs unten auf der Straße.
    Als Giovannis Vater in seinem Alter war, unmittelbar vor dem Krieg, hatte er sich dem Zwangsdienst beim faschistischen Corpo Truppe Volontarie entzogen, indem er sich einer kommunistischen Untergrundgruppe angeschlossen hatte. Den ganzen Krieg hindurch hatte sein Vater an lebensgefährlichen Sabotageaktionen teilgenommen. Giovanni hatte erst viele Jahre später ganz beiläufig davon erfahren, als man ihm die Gründe für das Alkoholproblem seines Vaters erläutert hatte. Als der Alte starb und Giovanni den Nachlass durchging, entdeckte er eine Beretta und ein paar vergilbte Blätter mit Chiffreschlüsseln. Was, dachte er, hätte Vater getan, wenn ich entführt worden wäre und er Besuch von den Entführern bekommen hätte? Hätte er ruhig mit ihnen geredet? Hätte er geweint? Ihnen gedroht? Oder hätte er sie erschossen?
    Was hätte Vater getan?
    Was soll ich machen?
    Was kann ich machen?
    *
    Als er wach wurde, war es still in der Wohnung. Dann hatte Luciana sich wohl doch schlafen gelegt. Er starrte an die Zimmerdecke und stellte sich den Sternenhimmel vor. Wie es wohl wäre, Raumfahrer zu sein …. Wie hieß der Film noch gleich, den er letzten Sommer gesehen hatte? Viermal. Nein, fünfmal! 2001: Odyssee im Weltraum . Luciana hatte ihn nicht begleitet. Nicht ein einziges Mal. Er war selbst ganz erstaunt gewesen, dass er, dessen ganzes Denken sich um Altertum und Metaphysik drehte, sich derart für Zukunft und Technik hatte begeistern können. 2001 … bis dahin waren es noch über dreißig Jahre. Wie würde die Welt dann aussehen? Vielleicht haben wir bis dahin ja den Weltraum erobert, dachte er. Es war noch nicht einmal ein Jahr her, dass Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond gesetzt hatte. One small step … Er hatte das Ereignis in der Live-Übertragung verfolgt. Was konnte der Mensch in dreißig Jahren nicht alles erreichen? Dann schlief er wieder ein. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug, nahm er eine Bewegung in der Zimmerecke wahr. »Hallo?«, murmelte er. Es war eiskalt im Raum. Waren die vier Männer wieder da? Der beißende Geruch von verdorbenem Fleisch erfüllte das Wohnzimmer. Habe ich vergessen, den Abfall runterzubringen? »Wer bist du?«, fragte er. Die Gestalt, die viel größer als ein Mensch war, stand reglos da. Ein Schatten, mehr nicht, oder ich träume noch . In der Dunkelheit schimmerte die riesige Silhouette verschwommen vor der hellen Tapete. Die Gestalt gab einen sirrenden Laut von sich wie eine Hochspannungsleitung, nur tiefer; ein Laut, den man eher spürte als hörte. Ich träume, das ist nicht real, ich träume nur, dass ich wach bin. Er hörte die gleichmäßigen Schläge der großen Glocke und das dumpfe Rauschen des nächtlichen Verkehrs. Kann man Geräusche und Gerüche träumen? Er schaute wieder zu den diffusen Umrissen des Wesens. Selbst im Traum fühlte sich Giovanni eingeschüchtert und der Anwesenheit des Riesen nicht würdig. Ich bin nur ein jämmerlicher Mensch unter Milliarden von jämmerlichen Menschen .
    Erst jetzt erkannte Giovanni zu den Füßen des Riesen zwei winzige Wesen. Eins sah wie eine Elfe aus, das andere wie ein Dämon. Es geht ihr gut , sagte die Elfe. Gut? Sie leidet! Der Dämon lachte. Sie lebt , sagte die Elfe,

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