Das Luzifer Evangelium
Wirklichkeit.
3
»Sagen Sie«, sagte ich, meinen Blick auf CC gerichtet, als dieser sich gerade eine dicke schwarze Zigarre anzündete, die mich an eine überreife Banane erinnerte. »Wollen Sie mich etwa davon überzeugen, dass Satans Sohn demnächst auf die Welt kommt?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
CC schmatzte und saugte wie ein Säugling an der Zigarre, um die Tabakblätter zum Glühen zu bringen. Wir waren alleine in seinem relativ kleinen Büro. Das Fenster ging zum Hinterhof. Zwischen zwei hohen Bücherregalen hing eine Weltkarte, in der unzählige bunte Stecknadeln steckten. Auf einem Poster vom Sternenhimmel waren eine Handvoll Sterne durch gelbe Linien miteinander verbunden. Es gibt keine Grenzen dafür, welche Motive man in den Sternen erkennen kann. Nicht weiter verwunderlich. Verstreut man Tausende von Punkten auf einer großen Leinwand, kann man diese mit einer Linie zu jedem nur erdenklichen Bild verbinden.
Ich war verwirrt. In meinem Kopf schwirrten mehrere Entwürfe paralleler Hypothesen. Hypothese A zum Beispiel (zu Ehren Beltøs), die nur hier und da Hypothese B tangierte (von der Beltø auf jeden Fall ferngehalten werden musste), und eine obskure Variante C, die neben A und B noch weitere beinhaltete.
»Also gut, Bjørn«, fuhr CC fort und stieß den Rauch wie ein Drache, den man lieber nicht provozierte, durch die Nase aus. »Ich habe sehr wohl registriert, dass Sie sich nicht einfach täuschen lassen. Weder von alten Professoren noch von noch älteren Wandinschriften. Aber darf ich Sie daran erinnern, dass Sie es waren, der auf den Ausflug in die Katakomben bestanden hat?«
»Wegen der Mönche! Aber wieso haben Sie mir Giovanni Nobiles Betrachtungen über die Hölle gegeben?«
»Damit Sie einen möglichst breiten Überblick über seine Vorstellungswelt bekommen.« Er inhalierte eine Gewitterwolke Zigarrenrauch und stieß sie in kurzen Stößen wieder aus. »Es wäre doch denkbar, Bjørn Beltø, dass auch Sie noch etwas lernen können.«
»Dabei wäre es aber sehr hilfreich, wenn ich verstehen würde, was um mich herum passiert.«
»Was genau verstehen Sie nicht?«
»Zum Beispiel die Tatsache, dass Sie behaupten, Vertreter einer Forschergruppe zu sein, dabei aber über eine operative Kommandoeinheit verfügen, die stark an eine paramilitärische Elitetruppe erinnert.«
»Das ist eine Elitetruppe. Dem Luzifer-Projekt stehen nicht nur eine Militäreinheit zur Verfügung, sondern auch Agenten und die modernste Nachrichtenausrüstung, die es gibt. All das hat seinen Grund. Ohne die Kommandoeinheit und die geheime Technologie hätten wir Sie niemals befreien können. Die wenigsten von uns …«, CC streckte beide Hände mit einem entwaffnenden Lachen von sich, »… würden eine physische Konfrontation mit wem auch immer unbeschadet überstehen. Wir sind Forscher, keine Kämpfer.«
Etwas in seinem Blick verriet mir, dass CC niemals irgendetwas ausgewichen war.
»Wieso können Sie mir nicht sagen, was wir suchen oder auf was dieses Mysterium hinausläuft? Ich will mehr wissen!«
»Hier und jetzt ist entscheidend, dass es Menschen gibt – ziemlich viele Menschen –, die an die Prophezeiung von Satans Sohn glauben. Sie glauben , Bjørn! Und sie sind bereit, sehr weit zu gehen, damit diese Prophezeiung sich erfüllt. Sie warten auf Satan und seinen Sohn! So wie die gesamte Christenheit seit zweitausend Jahren auf Jesu Rückkehr wartet. Aber all das ist eine Sackgasse, verglichen mit den Theorien und Hypothesen, mit denen wir uns seit einer Reihe von Jahren beschäftigen.« CC schmauchte an der Zigarre. »Ich muss Sie warnen: Die Theorien sind komplex und für Außenstehende wenig glaubwürdig.«
»Und streng geheim?«
»Sie sollen Ihre Antworten bekommen.« Die Glut der Zigarre fraß sich langsam nach innen durch. »Wir haben drei Hypothesen, die auf unserer Kenntnis der ersten beiden Teile von Luzifers Evangelium basieren und den Referenzen in anderen Schriften auf den dritten Teil.«
»Moment, Moment. Haben Sie gerade gesagt, Sie seien im Besitz der ersten beiden Teile?«
»Ja. Daraus haben wir nie einen Hehl gemacht.«
»Die sind doch verloren gegangen? Ich dachte, sie wären verschwunden?«
»Zu ihrer Zeit, ja.«
»Aber jetzt sind sie wiederaufgetaucht?«
»Wir sind im Besitz von Teil eins und zwei von Luzifers Evangelium . Und Sie, guter Mann, haben den dritten.«
»Teil eins war Giovanni Nobiles Exemplar …«
»Der technische Konservator der Universität hat einen
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