Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
spielen doch übermorgen.« Die aufgerissene Tür schlug Urban an die Stirn, der sich ebenfalls einer dringenden Verabredung erinnerte und gar nicht schnell genug aus der Küche herauskam. Clemens schwang sich gleich über den Balkon. »Hab’ total vergessen, dass ich mit Andrea ins Kino will. Sie wartet bestimmt schon.«
»Zieh dir wenigstens eine Jacke an!«, brüllte Tinchen hinterher.
»Nicht nötig, mir ist jetzt schon ganz heiß geworden.« Nur Melanie blieb sitzen und überlegte, welchen Grund sie für eine Flucht vorschieben könnte, aber ihr fiel keiner ein. »Du kannst ja mit Klausdieter spazieren gehen«, schlug Tinchen vor.
»Den hat Tobias mitgenommen.«
Gleich nach dem Mittagessen hatte er sich zu seinem Freund Heiko verkrümelt, der ihn allerdings nur unter der Bedingung Zuflucht versprochen hatte, dass er den Hund mitbrächte. Außer mit Daniel, dem Sohn von Frau Künzel und eigentlich schon viel zu alt für ihn, hatte Tobias nur mit Heiko Baumgarten Freundschaft geschlossen. Das war der mit dem geschiedenen Vater. Von Patrick hatte er nichts mehr wissen wollen, der war ihm zu großmäulig. Feige war er außerdem. Die Sache mit dem alten Fräulein Senkhas hatte Tobias ihm nie verziehen. Heiko dagegen war nicht feige. In der Klasse hatte er sich schon mit jedem Jungen herumgeprügelt, immer gewonnen, weil er ein bisschen Judo konnte, er wurde respektiert, aber einen richtigen Freund hatte er nicht. Tobias ging es ähnlich, und wohl nur deshalb hatten sich die beiden zusammengetan. Seit einiger Zeit hatte er allerdings den Verdacht, dass er von Heiko nur des Hundes wegen akzeptiert wurde, aber lieber einen halben Freund als gar keinen, und wenn sie mit der Autorennbahn spielten, verkroch sich Klausdieter sowieso immer unters Bett.
»Warum wünschst du dir nicht selber einen?«, hatte er einmal gefragt, doch Heiko hatte nur abgewinkt. »Hab’ ich ja schon, aber meine Mutter will keinen.«
Ein Weilchen hatte Tobias nachgedacht. »Vielleicht fängst du das ganz falsch an. Du musst dir ein Brüderchen wünschen, dann kriegste bestimmt einen Hund.«
»War das bei dir auch so?«
»Nee, wir hatten ja schon einen. Warum ich dazu noch eine Schwester bekommen habe, weiß ich auch nicht. Dabei wollte ich gar keine. Gebrauchen kann man sie zu nichts, sie wird einfach nicht vernünftiger.«
Melanie saß noch immer am Tisch und baute kleine Häuschen aus den Speckschwarten.
»Du bist ein Ferkel!« Tinchen rutschte vom Büfett und fing an, die unappetitlichen Reste zusammenzuräumen. »Du kannst ruhig mithelfen!« Schweigend packte Melanie die Eier in einen Korb. Plötzlich kicherte sie vor sich hin. »Hast du Marthchen schon gesehen? Die läuft rum wie eine Geschenkverpackung!«
»Wieso?«
»Beim letzten Besuch hat ihr Klärchen eine Schürze mitgebracht, so ein typisch amerikanisches Erzeugnis mit Rüschen am Busen und Schleife vorm Bauch. Jetzt fühlt sich die Ärmste aus lautet Pietät verpflichtet, diese Scheußlichkeit wirklich zu tragen.«
»Wenn’s ihr Spass macht.«
»Macht es ja gar nicht, aber Mutti hat mal angedeutet, dass man Geschenke nicht missachten darf. Deshalb hat sie auch eine Liste, auf der ganz genau aufgeführt ist, was sie mal von wem gekriegt hat, und sobald der Betreffende im Anmarsch ist, gräbt sie sein Geschenk aus und stellt es irgendwo hin. Du glaubst gar nicht, was im Keller für Kitsch lagert. Damit könntest du einen ganzen Flohmarkt bestücken.«
»Ist von Tante Klärchen auch was dabei?«
»Ich glaube, bloß die rosa Decke mit den Taftblumen am Saum. Sonst hat sie meistens Sachen zum Anziehen mitgebracht.«
Als Martha dann tatsächlich in voller Schönheit im Türrahmen erschien, konnte sich Tinchen das Lachen nicht verbeißen. Die Schürze war einfach umwerfend, und das neckische hellblaue Schleifchen, das ihr Melanie in die fast weißen Haare gesteckt hatte, bildete das i-Tüpfelchen. »Sie sehen aus wie eine Babypuppe im Steckkissen!«
»Müsste bloß ’n andrer Kopp obendrauf.« Auf einem Tablett stellte Martha Kaffeetassen zusammen sowie ein Schälchen mit Gebäck. »Hat die Gnädige noch nicht danach verlangt?«
»Du lieber Himmel, schon vor einer Viertelstunde! Ich hab’ das total vergessen.« In Windeseile füllte Tinchen Wasser in die Maschine und suchte nach dem Kaffee.
»Lassen Sie man, Tine, der ist schon seit Mittag fertig.« Martha zeigte auf die Thermoskanne.
»Wir können ihr doch nicht diese abgestandene Brühe anbieten.«
»Die trinkt
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