Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
verstecken, aber daraus wird wohl nichts werden.« Sie sah sein enttäuschtes Gesicht und streichelte tröstend über seine Haare. »Es ist ja noch früh, vielleicht klärt es sich bis nachher wieder auf. Das Gewitter heute Nacht hat bestimmt die Luft gereinigt.«
»Deshalb fällt der Regen jetzt auch viel schneller.« Er seufzte. »Ach, Tine, warum können wir jetzt nicht irgendwo im Süden sein, wo die Sonne scheint, wo es warm ist, wo wir beide ganz allein sind, wo keine Kinder auf den Osterhasen warten und keine Verwandtschaft aufs Frühstück. Wir sind schon bald neun Jahre verheiratet, aber richtige Flitterwochen haben wir nie gehabt.«
»Eins ging ja bloß! Entweder vierzehn Tage Gran Canaria oder die Couchgarnitur. Die Möbel haben wir immer noch, von der Reise wäre höchstens ein Schuhkarton mit Fotos übrig geblieben. Außerdem haben wir uns damals versprochen, die Flitterwochen nachzuholen.«
»Wann denn? Wenn die Reiseapotheke schwerer wird als das übrige Gepäck und wir uns statt Ostereier gegenseitig Vitaminpillen verstecken können?«
»Jetzt langt’s mir aber!« Empört setzte sich Tinchen auf. »Du tust gerade so, als ob wir unmittelbar vor dem Greisenalter stehen. Im nächsten Jahr, wenn Gisela und Fabian wieder zurück sind, werden wir einfach unsere Kinder bei ihnen abstellen und ganz allein zu zweit wegfahren.«
»Hm«, machte er nachdenklich, »manchmal hast du wirklich brauchbare Ideen. Aber das mit dem Greisenalter will ich nicht gehört haben! Ich werde dir gleich das Gegenteil beweis …«
Es klopfte.
»Draußen bleiben!!«
Zu spät. Die Klinke wurde heruntergedrückt, und herein spazierte mit blitzblanken Augen und erwartungsvollen Gesichtern der Bendersche Nachwuchs. »Können wir jetzt Ostereier suchen?«
»Nein, zum Donnerwetter noch mal!!« Mit einem Satz war Florian aus den Federn und schob seine Brut wieder zur Tür hinaus. »Wo kommt überhaupt das Karnickel her? Hast du das etwa mit im Bett gehabt?«
Julia drückte den Zwerghasen an sich. »Jaha. Herr Schmitt hatte doch so auch so doll Angst vor dem Gewitter.«
Zwei Seelen wohnten, ach, in seiner Brust. In Florian kämpfte der Vater mit dem Psychologen. Der Vater bestand auf sofortigem Rausschmiss seiner Nachkommen, der Psychologe dagegen plädierte für kindgemäße Aufklärung. Die erste Lösung war die bequemere, die andere erforderte psychologisches Einfühlungsvermögen und garantierte Stoff für sein Buch. Das eine hatte er, das zweite brauchte er. Florian entschied sich für die Psychologie.
Er nahm seine Tochter auf den Arm und ging mit ihr ans Fenster. Es war inzwischen heller geworden, und der Regen hatte nachgelassen. »Sieh mal, Julchen, hier auf der Erde ist es warm und …«
»Stimmt ja gar nicht, mir ist kalt.« Sie zitterte mit dem Kaninchen um die Wette. Florian sah sich gezwungen, Kind und Hasen in seinen Bademantel zu wickeln, bevor er seinen Vortrag fortsetzen konnte. »Na schön, richtig warm ist es nicht, aber oben in der Luft ist es noch viel kälter, und wenn nun die wärmere Luft von der Erde aufsteigt …«
Meteorologische Abhandlungen morgens um sieben waren zu viel für Tinchen. Sie knallte die Badezimmertür hinter sich zu und stellte sich unter die Dusche. Das ist mal wieder so typisch Florian! Anstatt sich anzuziehen und endlich die Süßigkeiten zu verstecken, hält er Vorträge über Frühlingsgewitter. Dabei war durch seine Brüllererei bestimmt schon die ganze Belegschaft aufgewacht einschließlich Tante Klärchen, die aufs Frühstück wartet. Der Tisch ist auch noch nicht gedeckt, zu allem Überfluss muss die Abfütterung heute im Esszimmer stattfinden, weil wir einen Feiertag haben und statt des Keramikgeschirrs Porzellan drankommt, in die Kaffeekanne vom Meißner gehen bloß acht Tassen rein, die reichen ja kaum für einmal rum, aber das Rosenthal-Service geht nicht, dazu gibt es keine Eierbecher, bloß die bunten Dinger aus Plastik, und überhaupt ist der Speisenaufzug immer noch kaputt, da darf ich mir mit der Rennerei von unten nach oben die Hacken ablaufen, und wenn ich Pech habe, kommt gar keiner frühstücken, weil niemand Lust zum Aufstehen hat. Warum bin ich bloß nicht auch im Bett geblieben? Scheiß-Ostern! –
Sie drehte den Wasserhahn zu, hüllte sich in ein Handtuch und triefte zurück ins Schlafzimmer.
»… entstehen elektrische Ladungen. Das alles zusammen nennt man Gewitter. Hast du das verstanden?«
Zögernd nickte Julia. »Und warum donnert
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