Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Klärchen sein. Alte Frauen tragen keine zehn Zentimeter hohen Absätze, keine Schmetterlingsbrillen mit Glitzersteinen und keine grellen Lippenstifte.
»Du hättest ruhig Fabians Daimler nehmen sollen, Florian«, missbilligte die Dame, ihre Bügelfalten zurechtzupfend. »Diese Kleinwagen sind eine Zumutung. Sogar meine Putzfrau fährt einen Chevrolet.«
»Die verdient sicher auch mehr als ich, Tante Klärchen«, entgegnete Florian, während er das Gepäck auslud. »Fabians Straßenkreuzer ist ein Säufer, und Benzin kostet bei uns momentan doppelt soviel wie ein Liter Milch.«
»Ich trinke nie welche.«
Drei Koffer standen schon auf der Straße, den vierten wuchtete Florian gerade vom Rücksitz. »Hast du deinen ganzen Kleiderschrank mitgebracht?«
»Natürlich nicht, aber man muss sich bei euch ja auf die verschiedensten Temperaturen einstellen. Außerdem enthält der grüne Koffer überwiegend Geschenke für die Kinder.« Fröstelnd schlug sie den Kragen ihrer Jacke hoch. »Könntest du das Ausladen nicht eurem Mädchen überlassen? Mir ist kalt.« Sie trippelte auf die Haustür zu.
Behutsam schob Tinchen die Gardine wieder zurecht, hinter der sie Tante Klärchens Ankunft verfolgt hatte, reckte die Stupsnase in die Höhe, holte tief Luft und öffnete die Tür. »Guten Tag und herzlich willkommen, Mrs. McPherson. Wir alle freuen uns …«
»Claire, bitte, und du. Immerhin sind wir verwandt.« Sie umarmte ihre angeheiratete Nichte flüchtig und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann schob sie sie von sich und betrachtete sie gründlich.
»Auf den Fotos siehst du jünger aus«, sagte sie, »aber für deine fast vierzig Jahre hast du dich trotzdem recht gut gehalten.«
»Sechsunddreißig«, verbesserte Tinchen zähneknirschend.
»So?« Tante Klärchens Jacketkronen täuschten ein Lächeln vor. »Dann muss ich mich wohl geirrt haben. Nun, in unserem Alter spielen ein paar Jährchen mehr oder weniger keine Rolle.«
Florian schob den letzten Koffer in den Flur und schloss die Tür.
»Voriges Mal hast du besser ausgesehen, Tante Klärchen. Dir fehlt doch hoffentlich nichts?« Seine Besorgnis klang beinahe echt.
»Nein, ich bin kerngesund«, beteuerte sie lebhaft, ihr Aussehen im Spiegel überprüfend. »Nur der Flug hat mich etwas angestrengt. Stundenlang an seinen engen Platz gefesselt zu sein, ist eben doch ein bisschen beschwerlich.«
»Am besten legst du dich eine Stunde aufs Ohr, Tante Klär … Claire«, schlug Tinchen vor. Noch fünf Minuten länger in Gegenwart dieser boshaften Tante und sie würde sämtliche Höflichkeitsregeln vergessen und der alten Giftmorchel ihren pinkfarbenen Regenschirm um die Ohren hauen, den Florian gerade in den kupfernen Behälter stellte.
»Nicht dort hinein«, wehrte die Tante erschrocken ab. »Bring ihn mit hinauf in mein Zimmer, er ist so empfindlich.« Dann überprüfte sie die Kofferparade. »Den großen kannst du irgendwo abstellen, er enthält meine Sommergarderobe. Den grünen bringst du am besten ins Wohnzimmer, wo ich ihn nachher in Gegenwart der Kinder auspacken werde, und die beiden anderen trägst du mir bitte nach oben.«
»Aber gern, Tante Klärchen«, versicherte Florian bereitwillig, froh, erst einmal verschwinden zu können. »Oder willst du gleich mitkommen?«
Die Tante lehnte dankend ab. Sie wolle zuerst die Kinder begrüßen, sodann einen Rundgang durchs Haus machen und mögliche Veränderungen in Augenschein nehmen, und einen Kaffee hätte sich auch recht gern. Aber schwarz bitte und ohne Zucker.
»Dann muss ich dich leider allein lassen.« Tinchen war schon auf dem Weg nach unten.
»Das macht nichts, meine Liebe, schließlich kenne ich mich hier besser aus als du.«
In der Küche fand Tinchen den gesamten Nachwuchs um den Tisch gruppiert, wo er mit Speckschwarten die gefärbten Eier polierte. Gespannt sahen alle auf.
»Sie ist da, nicht wahr?«, seufzte Urban. .»Nicht mal mehr auf Flugzeugentführer ist Verlass.«
»Rosé oder Himmelblau?«, fragte Melanie.
»Wie bitte?«
»Na, ich meine, trägt sie Rosa oder Blau?«
»Weiß. Mit einer rosa Seidenblume im Knopfloch.«
»Was will sie bloß anziehen, wenn sie achtzig ist!«
Die Stühle waren belegt, also setzte sich Tinchen aufs Büfett. »Sie will euch sehen.«
»Wann? Jetzt sofort?« Mit einem Ruck stand Rüdiger auf und trabte zur Tür. »Keine Zeit, ich bin sowieso schon zu spät dran. Muss zur Probe.«
»Am Ostersamstag?«, zweifelte Tinchen.
»Wann denn sonst? Wir
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