Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Ärmellosen, und zur »Teatime« genannten Kaffeestunde zog sie statt der Hosen einen bodenlangen Rock an. Florian war dankbar, dass ihm wenigstens der Anblick ihrer Shorts erspart blieb, die besonders in der heißen Jahreszeit – »und die haben wir ja immer in Florida« – so angenehm luftig seien.
Wasserleiche nannte er seine Tante im Stillen, und von seiner Frau forderte er: »Kannst du ihr nicht mal klarmachen, dass Grün nicht ihre Farbe ist und sie in diesem albernen Fummel aussieht wie ein Schlossgespenst?«
»Hab’ ich schon versucht, sie glaubt’s aber nicht.«
»Altersstarrsinn!«, vermutete er.
»Das nennt man jetzt Seniorenindividualismus«, verbesserte Tinchen.
Sie lächelte, als sie an die Szene zurückdachte, schloss die Balkontür und ging nach oben. Jeden Moment musste Frau Künzel kommen. Mit der hatte sie wirklich einen guten Griff getan. Das anfängliche Misstrauen, hauptsächlich von Florians Begeisterung für die neue Perle geschürt, war bei Tinchen sofort verflogen, als sie Frau Künzel kennen gelernt hatte. Sie sah in der Tat sehr attraktiv aus mit den naturblonden Haaren, den schräg geschnittenen Augen und vor allem der fantastischen Figur, aber entweder war sie sich dieser Vorzüge gar nicht bewusst oder sie vermied es absichtlich, sie zu unterstreichen. Auf Make-up verzichtete sie ganz.
Tinchen empfand sofort Sympathie für die junge Frau, und das musste wohl auf Gegenseitigkeit beruhen. Frau Künzel erklärte nämlich rundheraus, dass die mit Florian getroffenen Vereinbarungen natürlich hinfällig seien, er habe ganz offensichtlich keine Ahnung von den üblichen Stundenlöhnen und wohl nur deshalb das Einkommen eines Maurerpoliers zu Grunde gelegt. Vielmehr sei sie dankbar, dass sie vormittags in einem Privathaushalt arbeiten könne statt nachmittags in einem unpersönlichen Büro, und die Aussicht, ihre Tochter Katrin auch nach dem Kindergarten versorgt zu wissen, wäre ohnehin mehr, als sie erwarten dürfe.
Sogar Martha billigte die neue Hilfe. Nach ein paar kritischen Blicken auf die Fenster putzende Frau Künzel und einem kurzen Gespräch bei einer Tasse Kaffee sagte sie zu Tinchen: »Die sollten Sie sich warmhalten!« Was bei Martha höchstes Lob bedeutete. Künftig durfte Frau Künzel auch den Fußboden in der Küche wischen, ein Privileg, das Frau Schliers niemals zugestanden worden war.
Ebenfalls einverstanden war Klausdieter. Diese neue Putzfrau trug meistens Cordhosen, hatte immer ein Stück Hundeschokolade in der Tasche und lachte nur, wenn er den Staubsauger verbellte. Sie hatte nicht mal geschimpft, als er mit der Toilettenpapierrolle durch das ganze Haus gezogen war und sie anschließend in zentimetergroße Fetzen zerlegt hatte. –
Tinchen wollte gerade zu ihrer Einkaufsrunde aufbrechen, als Florian von seinem Taxidienst zurückkam. »Kinder ordnungsgemäß abgeliefert!«, meldete er und fing an zu lachen. »Tobias’ Lehrerin machte gar kein so glückliches Gesicht, als die ganze Horde brüllend das Klassenzimmer stürmte. Sie meinte, jetzt käme sie sich wieder vor, als müsse sie versuchen, dreißig Korken gleichzeitig unter Wasser zu halten.«
»Kann ich mir denken. Wir Eltern merken immer erst während der Ferien, was wir an den Lehrern haben.« Sie stieg ins Auto und drehte den Zündschlüssel. Florian klopfte ans Fenster und signalisierte, dass er noch etwas zu sagen habe. Sie kurbelte die Scheibe herunter.
»Ich vergesse es schon nicht! Hundert Blatt Schreibmaschinenpapier und zwei Farbbänder. Immerhin liegst du mir damit schon seit Tagen in den Ohren.«
»Daran habe ich jetzt gar nicht gedacht. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob du mir nachher ein bisschen im Garten helfen kannst. Langsam wird es Zeit.«
»Geht nicht, hab’ Küchendienst. Heute gibt es Szegediner Gulasch, das kann ich noch nicht.« Sie hupte kurz und fuhr los.
Reichlich belämmert schaute Florian hinterher. Nun war endlich Herr Biermann mit blank geputzten Orden und dem Konzept seiner Rede, deren Wirkung er noch gestern vor den strammstehenden Tulpen ausprobiert hatte, nach Itzehoe abgereist, aber entgegen Florians Planung waren auch alle seine Mitarbeiter verschwunden. Die saßen in der Schule oder im Hörsaal und lernten überflüssiges Zeug, während sie doch von praktisch angewandtem Biologieunterricht viel mehr hätten. »Non scholae, sed vitae discimus« repetierte er den Spruch, der die Aula seiner alten Penne geschmückt hatte. Denkste! Erst vor ein paar Tagen
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