Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
schwerer Name, Wie ’eißt in Frankreich?«
»Roger«, versicherte Rüdiger unbekümmert. »Und nachdem endlich die Formalitäten erledigt sind, gibt es hoffentlich was zu essen.«
Der Speisenaufzug entlockte dem Gast ein erstes befreiendes Lachen. »Un ascenseur pour la batterie de cuisine« hatte Mylène noch nie gesehen, aber als Tinchen ihr das noch am wenigsten verbrutzelte Stück Fleisch auf den Teller legen wollte, winkte sie ab. »Non, merci. Isch ’abe kein ’unger. Nous avons mangé tout le temps dans le bus.«
»Schmeckt prima!«, versicherte Rüdiger. »Ist Rehbraten, tu connais?« Und als Mylène den Kopf schüttelte, wandte er sich Hilfe suchend an seine Schwester. »Was heißt Reh auf Französisch?«
»Keine Ahnung. Wie Rind- und Schweinefleisch heißt, weiß ich, aber bei den Wildgerichten waren wir noch nicht.«
»Dann muss ich es hintenrum versuchen. Pass mal auf, Mylène!« Er versuchte mit seinen Armen die graziösen Sprünge eines Rehes nachzuahmen und ergänzte die Pantomime mit ein paar erklärenden Worten. »Wald, du verstehst? Viele Bäume – äh, beaucoup d’ arbres …«
»Un föret?«
»Danke. Im föret ein animal, braun – was heißt braun?«
»Brun.«
»Also ein braunes animal, so groß« – er deutete die ungefähre Höhe an – »sehr scheu … ach, verdammt noch mal, holt doch endlich ein Wörterbuch!« Plötzlich kam ihm die Erleuchtung. »Bambi!«
»Ah oui, un chevreuil«, lachte Mylène.
»Jawoll, ein ch … wie heißt das Vieh?«
»Chevreuil.«
Obwohl nun die Herkunft des Bratens geklärt war, ließ sich Mylène nicht zum Essen überreden. Sie sei wirklich satt und könne keinen Bissen mehr herunterbringen.
»Kann ich ihr auch nicht verdenken, das Fleisch ist knochentrocken«, beschwerte sich Florian.
»Ihr hättet ja früher kommen können, da war’s noch saftig.« Tinchen fühlte sich bemüßigt, Marthas Ehre zu verteidigen.
»Wie denn? Erst mal hatte der Bus Verspätung, dann hielt der Direx eine Ansprache auf Französisch, worauf die gegnerische Lehrkraft in wirklich ausgezeichnetem Deutsch antwortete, bloß eben so verdammt langsam, danach wurden die Schüler mit ihren Gasteltern zusammengeführt, und als jeder endlich seinen Schützling hatte, rannten alle wieder weg, um ihr Gepäck zu holen. Da ging der ganze Spaß noch mal von vorne los. Außerdem mussten wir noch Petra und diese … San … San … na ja, diese Sandingsda abliefern.«
»Sandrine heißt sie.« Melanie stand auf und winkte ihrem Gast. »Je te montrerai ta chambre. Rüdiger, nimmst du den Koffer?«
»Aber avec plaisir«, versicherte der und stapfte hinter den Mädchen die Treppe hinauf.
»Du hättest ruhig auch mal was sagen können!«, wandte sich Tinchen an Clemens, nachdem das Triumvirat außer Sicht war.
»Was denn? Ich hab’ Griechisch und Latein gehabt und freiwillig noch ein bisschen Englisch. Die Schönheiten der französischen Sprache sind mir fremd geblieben. Melanie hätte sich eben eine Miss aussuchen müssen statt einer Mademoiselle, dann hätten wir alle mehr davon gehabt.«
»Wer lernt denn heute noch Griechisch?«
»Archäologen. Vater wollte ja unbedingt, dass ich in seine Fußstapfen trete, aber irgendwann ist mir klar geworden, dass ich mich lieber mit intakten Knochen beschäftige als mit vergammelten. Wenigstens habe ich das heutige Griechisch gelernt und nicht wie Vater seinerzeit Altgriechisch. Was der sich in seinem letzten Urlaub geleistet hat, würde mir nicht passieren.«
Florian wurde neugierig. »Konnte er die Speisekarte nicht lesen?«
»Viel schlimmer! Als er sich im Hafen von Piräus bei ein paar Fischern nach den Abfahrtszeiten der Fähre erkundigte, fing einer mächtig an zu lachen und übersetzte die Frage wörtlich ins Deutsche: ›Wann segeln die Galeeren nach der Insel Ägina, ihr Schiffer?‹ Vater hatte Pech gehabt und war an einen griechischen Gastarbeiter geraten.«
Tinchen prustete los. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, gluckste sie: »Das hätte ich zu gern miterlebt. Es macht den Fabian direkt menschlich.«
»Na und?«, sagte Florian. »Ich habe ja auch mal auf Italienisch gedroht, das Hotel in Brand zu stecken, wenn ich nicht sofort meinen Kaffee bekäme. Die Vokabeln hatte ich mir aus einem dieser ominösen Reiseführer Marke ›Fremdsprachen leicht gemacht‹ herausgesucht, aber irgendwas muss ich dabei falsch gemacht haben. Meinen Kaffee habe ich nie bekommen.« Er stand auf und räumte das Geschirr in den
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