Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
hatte sie sich vierzig Minuten vor Abfahrt des Busses von Tinchen zur Bank fahren lassen, um ja genügend Bargeld bei sich zu haben, und ihr unterwegs pausenlos Anweisungen gegeben. »Die saure Sahne kommt erst zum Schluss in die Soße, und nicht mehr kochen lassen, sonst läuft sie weg, und vergessen Sie nicht den Malventee …«
»Für die Soße??«
»Für Ihre Mutter, die trinkt doch keinen anderen. Kartoffeln müssen Sie auch noch kaufen, unsere reichen nicht mehr, aber nehmen Sie neue, und vergessen Sie nicht, heute Abend die Torte aus der Kühltruhe zu holen, damit sie auftaut, und wenn Urban Zeit hat, soll er mal nach meinem Fernseher gucken, da ist der Kanalschalter kaputt, und nicht die Yuccapalme gießen, die kriegt nur einmal in der Woche Wasser, Kaffee Hag ist alle, hab’ ich aber aufgeschrieben, auch dass Melanies gelbe Hose zur Reinigung muss, und nicht die Socken von Rüdiger waschen, die müssen erst eingeweicht werden, sonst geht das rote Zeug vom Tennisplatz nie raus – ach ja, ehe ich es vergesse: Frau Künzel wollte das Rezept für Heringsstipp haben, es liegt neben dem Toaster, sie soll aber Salzheringe nehmen und vorher vierundzwanzig Stunden wässern …«
»Martha, hören Sie auf! Wer soll sich das denn alles merken? Wenn Sie Angst haben, dass in den vier Tagen der Haushalt zusammenbricht, weshalb fahren Sie überhaupt weg?«
»Ich meine ja man bloß …«
»Jetzt denken Sie einmal nicht mehr an zu Hause, sondern freuen sich auf die Reise. Bringen Sie mir einen Zitronenzweig mit?«
»Davon haben wir noch genug. Sie liegen im Keller neben den Pampelmusen. Die müssen Sie auch heute Abend noch aufschneiden und einzuckern, damit sie gut durchziehen. Flori kriegt immer drei Löffel voll.«
Es kostete Tinchen große Beherrschung, den Regenschirm auf den Koffer zu legen, ohne vorher damit tätlich zu werden, und als sie noch die Reisetasche ausgeladen hatte, brachte sie es sogar fertig, Martha herzlich zu umarmen und ihr viel Vergnügen zu wünschen. Dann allerdings machte sie, dass sie wegkam.
Zu Hause war es ruhig. Florian war zum Einkaufen gefahren und hatte seine Kinder mitgenommen, was in der Praxis bedeutete, dass er kaum vor dem Mittagessen zurück sein würde, denn auf dem als Festwiese bezeichneten Gemeindeanger hatte sich ein kleiner Rummelplatz niedergelassen. Die beiden Mädchen waren nach Heidelberg gefahren: »Weil man da wenigstens Schaufenster ansehen kann und nicht dauernd quatschen muss«, wie Melanie diesen Stadtbummel begründet hatte. Urban und Rüdiger schliefen noch, nur Clemens saß in der Küche und frühstückte.
»Morgen, Tinchen. Hast du unsere Globetrotterin gut auf den Weg gebracht?«
»Ja, aber viel zu früh. Jetzt habe ich Angst, sie kommt noch mal zurück, um mich daran zu erinnern, dass ich an den grünen Bohnen die Petersilie nicht vergessen darf. – Hast du heute Morgen etwas Bestimmtes vor?«
»Nicht direkt. Ich will nur ein paar vorbestellte Bücher abholen. Da liegt übrigens ein Zettel für Frau Künzel, ein Rezept oder so was, das kann ich gleich mitnehmen. Ich muss sowieso an ihrem Haus vorbei.«
»So eilig ist das bestimmt nicht, aber wenn du meinst …« Clemens’ unverhohlene Bewunderung für die junge Witwe war bereits Tagesgespräch bei seinen Geschwistern, und sogar Tinchen hatte schon mehrmals die Befürchtung geäußert, ihr Neffe verschwende seine Zuneigung auf das falsche Objekt. »Sie ist doch viel zu alt für ihn.«
Florian hatte aber nur gelacht und darauf hingewiesen, dass in Clemens wohl eher Beschützerinstinkte erwacht seien und keine erotischen.
»Nun komm mir bloß noch mit Vatergefühlen!«
»Die sind auch dabei. Oder weshalb sonst ist er neulich mit den beiden Künzel-Kindern ins Freibad gegangen?«
»Damit ihre Mutter sich in Ruhe eine Dauerwelle machen lassen konnte«, hatte Tinchen aufgetrumpft.
»Na siehste! Dann war das doch sehr nett von ihm.«
»Und was sagt der Psychologe, wenn diese – äh, Freundschaft etwas intensiver wird? Schließlich haben wir die Verantwortung.«
»Aber doch nicht für einen Dreiundzwanzigjährigen!«
Womit das Thema erst einmal vom Tisch, Tinchens Besorgnis aber keineswegs ausgeräumt war. Mit Argusaugen beobachtete sie jedes mehr oder weniger zufällige Zusammentreffen von Frau Künzel und ihrem Neffen und war sogar ein bisschen enttäuscht, dass sie die beiden noch nie in flagranti ertappt hatte. Andererseits waren sie bestimmt nicht dumm genug, sich bei etwaigen
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