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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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scheinbar zuversichtlich. In Wahrheit aber wurde er immer unruhiger, je näher die Zeiger der Kirchturmuhr aneinanderrückten.
    Als die Glocke schlug, war Friedrich Wieck noch immer nicht eingetroffen. Clara und Robert Schumann spähten nach allen Richtungen, dann gaben sie auf und traten ins Haus.
    Pfarrer Fischer war ein freundlicher, jovialer Mensch, der offenkundig nicht allzu gut auf Friedrich Wieck zu sprechen war. Nach einigen juristischen Präliminarien eröffnete er dem jungen Paar, der »Beklagte Friedrich Wieck« habe an der Ladung zu diesem Termin einen Formfehler entdeckt und sei deshalb nicht bereit zu erscheinen. Er reiche aber hiermit seine Erklärungen ein sowie auch die sich daraus ergebenden Forderungen beziehungsweise Vorschläge.
    Das Schreiben war erst eine Stunde vor Verhandlungsbeginn abgegeben worden, sodass Pfarrer Fischer noch nicht Zeit gehabt hatte, es durchzuarbeiten. Als er es nun verlas, merkten Clara und Robert Schumann, wie seine Missbilligung von Minute zu Minute zunahm. »Da scheint mir eine Art von Besessenheit vorzuliegen«, murmelte er einmal sogar und warf Clara einen mitfühlenden Blick zu.
    Als Erstes verlangte Friedrich Wieck, dass Clara auf die rund zweitausend Reichstaler verzichte, die sich in den ersten sieben Jahren ihrer Konzerttätigkeit als Rücklagen angesammelt hatten und die er bisher verwaltet beziehungsweise investiert hatte. Daer sich in dieser Zeit nicht um ihre Brüder Alwin und Gustav gekümmert hatte, solle jenen dieser Gewinn als Entschädigung abgetreten werden ... Auch Claras kostbares Instrument und ihren sonstigen Besitz wie Kleider, Schmuck usw. würde sie nur nach einer Pauschalzahlung von tausend Reichstalern zurückerhalten.
    Der dritte Punkt befasste sich mit Robert Schumann. Bei der Eheschließung müsse er Clara achttausend Reichstaler, also zwei Drittel seines Erbvermögens, überschreiben. Die Zinsen dürften nur ihr allein zugutekommen. Im Falle einer Trennung solle Robert Schumann nichts davon zurückerhalten. »Außerdem verlange ich, dass Robert Schumann meine Tochter zu seiner Universalerbin einsetzt.«
    In der Pfarrbibliothek war es so still, als wäre niemand anwesend. Nur die Uhr tickte und schlug die halbe Stunde.
    »Gütiger Gott!«, murmelte Pfarrer Fischer. Dann besann er sich und griff nach dem zweiten Blatt, in dem Friedrich Wieck Clara vorschlug, mit einer Eheschließung doch noch zu warten, bis sie mündig war. »Stattdessen bin ich bereit, Dich für die Dauer eines Vierteljahres zu einer Konzerttournee zu engagieren, für ein Pauschalhonorar von sechstausend Reichstalern.« Pfarrer Fischer räusperte sich. »So viel kann man mit Klavierspielen verdienen?«, fragte er ungläubig. »Ich nehme an, für Ihren Herrn Vater würde nach Abzug Ihres Honorars dann noch immer eine ausreichende Summe übrig bleiben.«
    Kopfschüttelnd legte er den Papierbogen beiseite. Erst jetzt merkte er, dass Clara weinte. Sie barg ihr Gesicht an Robert Schumanns Schulter. »Er will, dass ich mich für sechstausend Taler an ihn verkaufe«, flüsterte sie. »Das kann er doch nicht im Ernst von mir verlangen. Er muss verrückt geworden sein.«
    Da eine Einigung offenkundig nicht möglich war, setzte Pfarrer Fischer einen neuen Termin fest. »Der 2. Oktober dieses Jahres. Ob es der letzte Termin in dieser Sache ist, kann ich Ihnen nicht versprechen.«
    Für das Protokoll und eventuelle weitere Untersuchungen übergab Robert Schumann noch eine Aufstellung seiner finanziellenMittel, die ausreichen würden, ein angemessenes Hauswesen zu begründen: ein zinsloses Vermögen von zwölftausend Reichstalern und ein jährliches Einkommen von cirka tausend Reichstalern – hauptsächlich aus der Herausgabe seiner Zeitschrift und den Honoraren für seine Kompositionen.
    Pfarrer Fischer nickte anerkennend. »Nicht übel«, murmelte er. »Die meisten jungen Paare wären froh über einen solchen Anfang.« Er wandte sich zu Clara. »Darf ich fragen, was vorgefallen ist, dass Ihr Herr Vater sich so vehement gegen diese Heirat sträubt?« Er lächelte. »Finanzielle Mittel sind ausreichend vorhanden und nun hat Herr Schumann auch noch die Würde eines Ehrendoktors vorzuweisen ... Vielleicht sollten Sie Ihren Vater davon in Kenntnis setzen.«
    Robert Schumann hob abwehrend die Hand. »Ich habe die Hoffnung verloren«, wandte er ein. »Warten wir lieber auf den nächsten Termin.«
    Doch Clara fuhr auf. »Und auf den übernächsten und den danach? Nicht mit mir! Ich will

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