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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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vervollständigten. »Trois Romances pour le Piano« wollte sie das gesamte Werk nennen, ihr Opus 11. Sie hoffte, dass der Wiener Verleger Mechetti, der schon die erste »Romanze« begeistert gelobt hatte, das Werk veröffentlichen würde.
    So viel Schaffenskraft wäre in ihr gewesen, hätte sie nur endlich ihren Frieden gefunden! »Liebe ist schön, aber ohne sie lebt man besser«, hatte Robert Schumanns Freund Glock vor langer Zeit einmal gesagt. Damals war Clara noch ein Kind gewesen und hatte ihn für diese Bemerkung bemitleidet und fast schon verachtet. Nun aber dachte sie, dass der junge Arzt auch ein klein wenig recht gehabt haben mochte, damals, als Robert Schumann so krank und blass ausgesehen hatte.
    Ja, Clara war müde. Dennoch wollte sie nicht aufgeben. Im nächsten Jahr wird alles anders aussehen!, tröstete sie sich. So viel habe ich schon auf mich genommen. Ein paar Monate noch, dann ist alles überstanden.
    Sie ließ zu, dass Robert Schumann sie umarmte und küsste und ihr die gemeinsame Zukunft in den rosigsten Farben schilderte. Es kam ihm wohl nur noch darauf an, Clara von der Reise nach Paris abzuhalten. Von der Reise in die Freiheit, die das Glück, nach dem sie sich doch beide sehnten, in Frage stellen konnte.
    »Paris ist ein gefährliches Pflaster«, beharrte Robert Schumann, und Clara verzichtete darauf, ihn daran zu erinnern, dass sie sich auf diesem Pflaster bereits ausgezeichnet bewährt hatte.
    Sie befreite sich aus seiner Umarmung. »Meinetwegen, Robert«, murmelte sie resigniert. »Wenn dir so viel daran liegt ...«
    Seine Augen leuchteten auf. »Also Berlin?«, fragte er hoffnungsvoll.
    Clara nickte. »Also Berlin!«, antwortete sie gehorsam und konnte kaum fassen, wie erleichtert ihr Verlobter diesen Entschluss aufnahm, obwohl er doch bedeutete, dass sie wieder einmal auf unabsehbare Zeit voneinander getrennt sein würden.
    Berlin zeigte sich ganz anders, als Clara es erwartet hatte. Die ersten beiden Tage verbrachte sie in der Wohnung ihrer Mutter. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass die Räumlichkeiten der Bargiels für einen weiteren Mitbewohner zu beengt waren. Nicht einmal für Claras Gepäck fand sich ein Platz. Ihre Kleider mussten im Koffer bleiben, der auf dem Flur lehnte. Da Marianne fastden ganzen Tag unterrichtete, stand Clara das Klavier nur selten zur Verfügung. Außerdem fühlte sich Adolph Bargiel durch die Anwesenheit seiner Stieftochter bedroht. Aufgeregt erzählte er allen Schülern, er wisse schon, seine Frau habe die Absicht, ihn ins Armenhaus abzuschieben, um Platz für ihre Tochter zu gewinnen. Dann würden sich die beiden ein flottes Leben machen. Dabei könnten sie ihn natürlich nicht gebrauchen.
    Marianne, die hoffte, von Clara finanziell unterstützt zu werden, wollte ihre Tochter unbedingt im Hause behalten. Doch Clara packte entschlossen ihren Koffer und machte sich zu Fuß auf den Weg zum »Hôtel de Russie«, wo sie einst mit ihrem Vater abgestiegen war. Sie erinnerte sich noch an das Konzert, das sie dort gegeben hatte, und an die Süßigkeiten, die man ihr abends aufs Kopfkissen legte. Friedrich Wieck hatte zwar meist alles gleich beschlagnahmt, um ihre Zähne zu schonen, doch hin und wieder war sie doch schneller gewesen und hatte die kleine Beute zwischen ihrer Wäsche gehortet.
    Nun kam sie wieder zu dem Hotel. Sie war entschlossen, einen günstigen Preis auszuhandeln oder, wenn es sein musste, sogar in ein Dienstbotenzimmer zu ziehen. Auf jeden Fall aber hielt sie sich an die Gewohnheit ihres Vaters, in einem vornehmen Hotel abzusteigen, um zu demonstrieren, dass sie zur ersten Künstlergarde gehörte. Was in Paris überflüssig sein mochte, spielte in Berlin vielleicht eine wichtige Rolle.
    Als sie ins Foyer trat, kam ihr durch Zufall der Besitzer entgegen. Zu ihrer Überraschung erkannte er sie sofort. Er begrüßte sie überschwänglich und versprach ihr sein bestes Zimmer. Clara hatte Mühe, ihm ihre bedrängte Lage verständlich zu machen. Doch auch dann blieb er noch freundlich. Es sei ihm eine Ehre, sie in seinem Hause begrüßen zu dürfen. Außerdem werde sich ihre finanzielle Situation bestimmt bald verbessern. »Eine Künstlerin wie Sie, Mademoiselle! Man wird Ihre Konzerte stürmen, dessen bin ich sicher.« Dann begleitete er sie persönlich zu ihrem Zimmer – nicht das beste, wie er anfangs versprochen hatte. Man war schließlich Geschäftsmann. Aber immerhin ein hübscherRaum, in dessen Nebenzimmer ein Klavier stand.

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