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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Wieck, während ihm ihre kurzen Finger nicht unangenehm auffielen, würde einen Filou wie Bargiel energisch von sich weisen. Mit ihrer kräftigen Stimme würde sie ihm erklären, wo der Zimmermann das Loch gemacht hatte und dass ihr Haus und das ihres Gatten ein anständiges Haus sei, in dem man Frauen nicht anstarrte oder Süßholz raspelte, wenn sich der Ehemann auf Reisen befand. Eine richtige kleine Sächsin, dachte er zufrieden. Bodenständig und mit Sinn für Sitte und Ordnung ... Sie brauchte nur den Mund aufzumachen, und schon fühlte sich Friedrich Wieck irgendwie daheim und in Sicherheit.
    Da Friedrich Wieck ein Mann von Entschlusskraft war und auch die junge Braut vollendete Tatsachen sehen wollte, war man verheiratet, noch ehe irgendjemand außerhalb der Fechner’schen Familie Verdacht schöpfen konnte. Einzig Johanna Strobel durchschaute die neue Situation, als ihr Arbeitgeber – zwei Tage vor der Eheschließung im engsten Kreise – mit einer fremden Person auftauchte und sie im ganzen Haus herumführte. Er schickte Johanna Strobel in ihre Kammer, wobei sie nach alter Gewohnheit die Tür nicht ins Schloss fallen ließ. So hörte sie genau, dass die Besucherin jeden Winkel des Hauses inspizierte, alle Schränke öffnete und sogar das silberne Besteck prüfte, das noch die Initialen ihrer Vorgängerin trug.
    »Weißt du, dass deine Haushälterin an der Türe lauscht?«, fragte Clementine so laut, dass auch Johanna Strobel es hörenkonnte. Da sie daraufhin erschrocken die Tür ins Schloss drückte, entging ihr die Schlussfolgerung, die die Unbekannte aus ihrer Beobachtung zog: »Du solltest sie entlassen. Wenn Dienstboten zu lange in einem Haushalt arbeiten, meinen sie, sie können sich alles erlauben. Wenn es dir recht ist, werde ich an ihrer Stelle unsere Berta mitbringen. Meine Mutter hat sie gründlich ausgebildet. Sie ist jung und kräftig und macht auch bestimmt mehr her als die da. Außerdem ist sie treu ergeben.«
    Einen Augenblick lang dachte Friedrich Wieck, dass eigentlich auch Johanna Strobel treu ergeben war. Andererseits aber war sie langsam und zuweilen auch unverschämt. Nie hatte sie ein Hehl daraus gemacht, dass sie Marianne vermisste. Wahrscheinlich konnte man es einer jungen Ehefrau auch nicht zumuten, die Dienstboten ihrer Vorgängerin zu übernehmen. »Das Personal ist Sache der Hausfrau«, sagte er deshalb und tätschelte den rundlichen Arm seiner Braut. »Organisiere dir alles, wie du es möchtest. Hauptsache, der Haushalt funktioniert.« Und davon war er überzeugt. Wahrscheinlich meinte er, Clementine müsse allein schon deshalb tüchtig sein, weil sie in allem anderen so wenig zu bieten hatte.
    Trotz ihres behäbigen Äußeren brach die neue Madame Wieck über den Haushalt ihres Gatten herein wie ein Wirbelsturm. Jeden Tag zeigte sich deutlicher, dass sie entschlossen war, alle Spuren ihrer Vorgängerin zu tilgen. Es schien ihr schon beschämend genug, mit einem Geschiedenen verheiratet zu sein – vor allem als Pfarrerstochter, deren Weltbild fest und unverrückbar geformt war, nur weiß und schwarz, ohne Zwischentöne. Sie hätte es nie geduldet, aus dem Mund ihres Gatten eine günstige Bemerkung über seine erste Frau zu hören. Marianne hatte eine Verworfene zu sein, eine Ehebrecherin, eine schlechte Mutter und eine unordentliche Hausfrau. In dieses Bild passte es sogar, dass sie sang und Klavier spielte – eine Künstlerin eben, eine leichtfertige Person, die ihren herzensguten Gatten enttäuscht und betrogen hatte.
    Alles, was an Marianne erinnerte, sollte ausgemerzt werden. Sogar die Gravur auf dem Silberzeug, das sie in die Ehe mitgebracht hatte, kam Clementine wie ein persönlicher Angriff vor, umso mehr, als sie selbst ohne Mitgift ins Haus gekommen war. Auch die Bettwäsche, die Tischtücher und Servietten trugen noch die Initialen der verhassten und dennoch quälend beneideten Vorgängerin, der ersten Wahl ihres Gatten. Schon wenige Tage nach der Hochzeit flüsterte ihm Clementine vor dem Einschlafen zu, wie wichtig es für seinen Ruf doch sei, die Gravuren und Stickereien zu ändern, da sie bei jedem Gebrauch an seine Vergangenheit und seine Schmach erinnern würden.
    Friedrich Wieck ließ sie gewähren. Die Energie, mit der sie den Haushalt an sich riss, gefiel ihm. Um nichts brauchte er sich mehr zu kümmern, alles war perfekt. Auch die Gäste, die in den vergangenen Jahren fortgeblieben waren, kehrten nach und nach zurück. Es war abzusehen, dass sich der Salon

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