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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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aufstieg und in dem sein Operationsbesteck lag. Ich erkannte die Griffe unserer Säge und unseres schärfsten Messers.
    »Da können wir uns den Schnaps ja sparen«, sagte er leichthin und wies mit dem Kinn auf den Patienten.
    Hannes war in Ohnmacht gefallen.

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37
    D er Schnaps, den Raúl sich unmittelbar nach ihrer Rückkehr zur »Herdade da Araucária« eingegossen hatte, brachte nicht die geringste Linderung. Eher intensivierte er noch das niederschmetternde Schuldgefühl, das von ihm Besitz ergriffen hatte. Was für ein Lump er doch war, was für ein niederträchtiger Mistkerl! Nur gut, dass er in letzter Sekunde noch genügend gesunden Menschenverstand und Selbstdisziplin hatte aufbringen können, um es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Wenn sie sich dort oben bei dem alten Hirtenhäuschen geliebt hätten, würde er sich jetzt überhaupt nicht mehr in die Augen sehen können.
    Es war schlichtweg unverzeihlich, sich mit einer Frau zu vergnügen, die man für ihre Dienste nicht entlohnte oder die man nicht in Kürze zu ehelichen wünschte. Und da Klara weder eine Hure war noch seine Verlobte, waren jegliche Zärtlichkeiten zwischen ihnen tabu. So einfach war das. Und so schwer. Die Glut, die sie in ihm entfacht hatte, wollte partout nicht verglimmen. Im Gegenteil, je länger sie hier bei ihm weilte und je unmissverständlicher sie ihm aus dem Weg ging, desto heißer wallte die Leidenschaft in ihm auf. Er hatte sich in Klara verliebt, so viel stand fest. Ebenfalls fest stand aber auch, dass sie in zwei Wochen voneinander Abschied nehmen würden, wahrscheinlich für immer. Sie musste zurück zu ihrem Kind, musste sich ihrer Vergangenheit stellen und sich in ihrer eigenen Welt behaupten. Da war für ihn kein Platz.
    Dass er um ihre Hand anhielt, war völlig ausgeschlossen. Sie würde ihn für einen gefühllosen Grobian halten, der nicht einmal die Mindestgebote der Höflichkeit und des guten Geschmacks kannte. Einer frisch verwitweten Frau machte man keine Avancen. Aber vielleicht, irgendwann … Er schenkte sich ein weiteres Glas Schnaps ein und gab sich einem Tagtraum hin, der bestenfalls in ferner Zukunft, wahrscheinlich jedoch nie in Erfüllung gehen würde.
    Klara hatte sich nach dem Ausritt auf ihr Zimmer geflüchtet, das sie für den Rest des Tages nicht mehr verließ. Eine Reihe widersprüchlicher Empfindungen wühlte sie auf. Da war zunächst die Demütigung – sie waren so kurz davor gewesen, körperliche Befriedigung zu finden, und in einem solchen Moment zurückgewiesen zu werden tat weh. Wenn es Raúls Gewissen gewesen war, das sich da plötzlich geäußert hatte, dann, so fand Klara, hätte es sich ruhig schon vorher melden können. Man erklomm doch nicht gemeinsam schwindelerregende Höhen, um sich kurz vor dem Gipfel in den Abgrund zu stürzen. Wenn man schon so weit oben war, würde man doch den einen Schritt zum allerhöchsten Punkt auch noch gehen, oder nicht? Wenn man dann abstürzte, willentlich oder nicht, tat man es wenigstens mit dem beseelten Gefühl der Erfüllung.
    Und was sollte diese Zurückhaltung überhaupt? Sie war schließlich keine Jungfrau mehr, sie wusste ja, worauf sie sich eingelassen hätte. Oder war genau das der springende Punkt? War sie ihm zu forsch gewesen, zu erfahren? Oder gar zu
geil?
Herr im Himmel, lass es nicht das gewesen sein! Klara kam sich ohnehin schon vor wie ein loses Frauenzimmer. Sie hatte sich Raúl ja förmlich in die Arme geworfen, und bestimmt war ihm, gerade noch rechtzeitig, aufgegangen, mit was für einem hemmungslosen, mannstollen Luder er es zu tun bekommen hatte.
    Klara schämte sich zutiefst für ihr haltloses Benehmen.
    Zu Scham, Wut und unerfüllter Begierde gesellte sich jedoch irgendwann Hunger, so dass sie gezwungen war, ihr Zimmer zu verlassen. Auf Zehenspitzen ging sie die Treppe hinunter. Wenn Raúl im Haus war, wollte sie nicht, dass er sie hörte oder sah. Sie schlich in die Küche, wo sie, nachdem sie ihren Wunsch nach einem leichten Imbiss vorgetragen hatte, von einer Schar aufgeregt gackernder Mägde verscheucht wurde.
    »Na, wo brennt’s denn,
menina?
«, fragte Teresa, die sie hinausbegleitete.
    »Es brennt?«, fragte Klara zurück, die die Redewendung falsch gedeutet hatte.
    Teresa brach in schallendes Gelächter aus. »Ja, es brennt. Im Herzen von Senhor Raúl brennt es und in deinem auch. Von anderen Stellen ganz zu schweigen.« Sie bekam sich gar nicht mehr ein über ihre vermeintlich witzige Bemerkung, und Klara

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