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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Missverständnis. Du bist gestolpert und hast geglaubt, er hätte das Stolpern ausgelöst oder so.«
    Ohne dass ich es wollte, kam ein schwerer Seufzer aus meiner Brust. Hannes hatte unsere Freunde längst auf seine Seite gezogen. Er hatte sogar schon die Erklärungen für meine Verletzungen geliefert, nur für den Fall, dass ich ihn eines Tages verpetzen wollte.
    »Du musst mir glauben, Christel. Es ist nicht mehr zu ertragen. Er fällt über mich her wie ein Irrer. Er schlägt so erbarmungslos zu, dass ich nicht mehr klar denken kann.«
    Ich hätte mir die Zunge abbeißen mögen. Das mit dem klaren Denken hätte ich mir wirklich verkneifen müssen, denn Christel bedachte mich mit einem sorgenvollen Blick, dem ich entnahm, dass genau das mein Problem war und dass sie diesen Punkt bereits mehrfach mit Hannes erörtert hatten. Ich fühlte mich unverstandener denn je. Wenn unsere besten Freunde und mein Ehemann sich gemeinsam gegen mich verschworen hatten, wer sollte mir dann noch glauben? In einem letzten verzweifelten Versuch, sie von der Wahrheit meiner Darstellung zu überzeugen, riss ich mir das Oberteil meines Kleides vom Leib.
    »Siehst du?«, sagte ich. »Striemen auf dem Rücken, die habe ich mir bei einem kleinen Stolpern zugezogen. Und hier«, damit zeigte ich ihr die blauen, lilafarbenen und gelben Flecken auf meinen Rippen, »ein blöder Sturz von der Treppe – nur dass wir gar keine Treppe haben.« Ich lachte trocken auf. Dann ging dieses bittere Lachen in Schluchzen über. Während ich meine Entstellungen wieder bedeckte und das Kleid zuknöpfte, heulte ich: »Oh Gott, Christel! Wenn das so weitergeht, schlägt er mich beim nächsten Mal tot.«
    »Unsinn«, hörte ich Franz sagen und drehte mich erschrocken um. Er stand in der Tür, die Arme in die Taille gestemmt. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht erkennen, denn hinter ihm stand die Sonne. Ich fragte mich, wie viel genau er gesehen und gehört hatte. Wahrscheinlich nicht viel, denn wenn er meine Wunden gesehen hätte, würde er meine Befürchtungen nicht als Unsinn abtun.
    Franz kam herein und setzte sich zu uns an den Tisch. Er sah tadelnd auf die Schnapsflasche, die vor uns stand. Na prima, dachte ich, wahrscheinlich hält er das alles nur für eine Ausgeburt meiner vom Alkohol benebelten Phantasie.
    »Wir kennen euch ja nun schon seit einiger Zeit«, begann er seine Predigt, »und ich würde meine Hand für den Hannes ins Feuer legen. Er ist ein braver Mann, Klärchen. Und kann man es ihm verdenken, wenn ihm wirklich mal die Hand ausgerutscht sein sollte? Er musste allerhand durchstehen in letzter Zeit, das war bestimmt nicht einfach für ihn. Hab etwas Geduld mit ihm. Im Grunde seines Herzens ist er doch ein freundlicher Zeitgenosse – und bestimmt ein guter Ehemann.«
    »Nein!«, schluchzte ich auf. »Ihm ist nicht
einmal
die Hand ausgerutscht, er verdrischt mich regelmäßig. Und er nimmt dafür einen Gürtel oder sogar seinen Krückstock.«
    »Das glaube ich nicht.« Franz wirkte entsetzt, dass ich solche Dinge über seinen besten Freund behauptete.
    »Frag doch deine Frau. Christel hat die Verletzungen gesehen, die Hannes mir zugefügt hat. Dir kann ich sie ja schlecht zeigen, sonst unterstellt man mir nachher noch, ich wolle dich verhexen oder so etwas.«
    Franz schaute Christel fragend und auffordernd an, aber die schüttelte nur verlegen den Kopf. Genauso gut hätte sie mir ins Gesicht spucken und laut aussprechen können, was sie dachte, nämlich, dass ich ein hoffnungsloser Fall sei.
    »Was soll das, Christel? Du hast es doch gesehen! Glaubst du etwa, diese Wunden hätte ich mir selber beigebracht?«
    »Wer weiß? Hör mal, Klärchen, du hast ja schon öfter merkwürdige Visionen gehabt, wie wir alle wissen. Vielleicht hast du dir diese angeblichen Schläge auch nur eingebildet?«
    Ich stand so plötzlich auf, dass der Stuhl umkippte. »Ja, natürlich, so wie ich mir auch die Geburt von Hildchen nur eingebildet habe. Und die Amputation von Hannes’ Bein, mein Gott, das war vielleicht ein gruseliger Traum!« Ich lachte hysterisch und lieferte damit erst recht den Beweis, den die anderen brauchten. Sie hielten mich für vollkommen gestört. Stolpernd rannte ich davon. Nichts wie weg von diesem behaglichen Zuhause, dem gepflegten Hof, meinen falschen Freunden. Je eher ich sie und ihre Verlogenheit nicht mehr ertragen musste, desto besser.
    Auf halber Strecke zu uns überkam mich ein so enormer Widerwille, unser Grundstück zu

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