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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Gutshauses waren, ließ sie ihren Schluchzern freien Lauf. Sowohl Raúl als auch Joaninha hüteten sich, eine Silbe darüber zu verlieren. Nur das Taschentuch, das Raúl ihr reichte, ohne sie dabei anzusehen, bewies, dass überhaupt jemand von ihr und ihrem Kummer Kenntnis nahm.
    Die Fahrt verlief unspektakulär. Nachdem Klara sich wieder beruhigt hatte, waren außer Hufgetrappel und dem Knirschen der Räder auf den Steinchen des Lehmweges keine anderen Geräusche zu hören. Gegen Mittag legten sie eine kurze Rast in einer Gastwirtschaft ein, wo sie eine einfache warme Mahlzeit sowie die Möglichkeit bekamen, sich frisch zu machen. Danach ging es genauso still weiter wie zuvor. Joaninha rutschte auf ihrem Platz hin und her, verlagerte ihr Gewicht von der einen auf die andere Seite und zog eine Leidensmiene. Doch sie hütete sich davor, sich zu beklagen. Kein Wort sollte sie sagen, außer sie wurde etwas gefragt, so lautete Teresas Anweisung.
    »Tut dir dein Po weh?«, fragte Klara mit mitleidigem Lächeln.
    »Und wie! Das ist ja schrecklich, wie einem hier der Hintern durchgewetzt wird, dass man meint, man sitzt auf den blanken Knochen! Und dieses Geschaukel, da wird man ja ganz krank davon. Jesus und Maria, Sinhá Klara, wie halten Sie das nur aus, dieses fürchterliche …«
    »Halt den Mund, Mädchen«, fuhr Raúl sie an, ohne ihr einen Blick zuzuwerfen.
    Klara tat die Sklavin leid. Musste Raúl sie so anherrschen? Na schön, sie alle waren in derselben Lage, Raúl und sie selber fanden die Fahrt ebenfalls nicht gerade entspannend, beklagten sich jedoch nicht. Aber für die arme Joaninha war es bestimmt das erste Mal, dass sie eine so lange Reise antrat. Im Gegensatz zu Raúl, der ständig unterwegs war, und zu ihr selber, die schon ganz andere Reisen überstanden hatte, musste es für das Mädchen ungleich schlimmer sein.
    »Willst du reiten?«, richtete Raúl nun das Wort an Klara. »Traust du dir zu, auf meinem Hengst zu reiten?«
    Klara nickte. Das Tier trabte hinter dem Gefährt her, denn vor den Wagen ließ es sich nicht spannen, und Raúl hatte es auch nicht daheim lassen wollen. Es war ein temperament-volles Pferd, aber wenn Klara es sich so ansah, wirkte es recht zutraulich und freundlich. Außerdem hatte sie ganz erhebliche Fortschritte im Reiten gemacht.
    Sie hielten an. Raúl sattelte das Pferd, band es los und half Klara hinauf. Joaninha räusperte sich unentwegt.
    »Herrgott, Mädchen, huste halt einmal richtig, dann geht das Kratzen im Hals schon weg, aber hör endlich auf mit diesem unerträglichen Räuspern!«
    »Aber die Senhora Tia Teresa hat gesagt …«
    »Ganz bestimmt hat Teresa dir aufgetragen, still zu sein. Und daran wirst du dich jetzt auch halten.« Raúl schüttelte unwirsch den Kopf. Diese taube Nuss trieb ihn in den Wahnsinn. Es ärgerte ihn, dass er Teresa nachgegeben und diese Anstandsdame mitgenommen hatte, wobei von »Dame« ja nicht wirklich die Rede sein konnte. Er wusste, dass es ungerecht war, seinen Unmut an Joaninha auszulassen, aber er konnte es einfach nicht unterdrücken.
    Dann widmete er sich wieder Klara.
    »Alles in Ordnung da oben? Traust du es dir wirklich zu? Er ist eigentlich ganz brav, wenn man ihn zu nehmen weiß. Er hat nur eine Macke. Man darf ihm nämlich keineswegs …«
    Doch genau das hatte Klara offenbar gerade getan. Sie hatte dem Hengst in einer Geste des, wie sie meinte, Zuspruchs auf den Hals geklopft, und zwar genau dreimal hintereinander, woraufhin er in wildem Galopp losgeprescht war. Man hörte einen erschrockenen Schrei von Klara, die sich erstaunlich gut auf dem Rücken des Pferdes hielt, sah eine Staubwolke, und dann waren Pferd und Reiterin auch schon hinter einer Wegbiegung verschwunden.
    Raúl setzte mit dem Wagengespann nach, obwohl er um die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens wusste. Joaninha krallte sich mit beiden Händen an der Bank fest, auf der sie, nunmehr des Haltes durch einen weiteren Passagier beraubt, herumrutschte und auf und ab hüpfte. Die Verfolgung dauerte etwa fünf Minuten an. Dann stoppte Raúl den Wagen abrupt. Joaninha schrie auf, weil sie durch das starke Abbremsen nach vorn geschleudert wurde. Raúl spannte den Gaul aus und sprang mit einem Satz auf seinen Rücken. Das Tier war weder schnell noch rassig oder feurig, und ohne Zaumzeug und Sattel war es erst recht nicht in der Stimmung, sich schneller als nötig zu bewegen. Aber Raúl gab ihm tüchtig die Sporen und zerrte an seiner Mähne, so dass das Pferd

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