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Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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geheime Botschaft des Sinnspruches zu entschlüsseln, der dort in verschnörkelter Schrift aufgemalt war. »Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, die führen über Tal und Hügel.« Er fand die beiden Pünktchen über dem »u« höchst faszinierend, das sich an vier Stellen fand, und er fragte sich, ob sie bei dem anderen »u« vergessen worden waren oder ob es in dieser sonderbaren Sprache beide Varianten gab. Irgendwann würde er Klara danach fragen.
    Konrad glotzte auf die Tischplatte vor sich und fuhr mit seinem schmutzigen Fingernagel eine Linie in der Maserung nach. Antonia schob ihr gefülltes, aber unangetastetes Schnapsglas hin und her und beobachtete dabei, wie die klare Flüssigkeit an den Rändern hochschwappte, ohne überzulaufen.
    Als Klara die Treppe herunterkam, lösten sich alle aus ihrer verlegenen Angespanntheit.
    »Also, am besten sagen wir dir gleich, was hier im Ort los war heute«, begann Antonia. »Die Leute haben geredet. Und wie! Ich schwöre, dass wir alles, was wir von dir wussten, wahrheitsgemäß geschildert haben, aber du weißt ja, wie das mit Gerüchten so ist. Die machen schneller die Runde, als man gucken kann.«
    »Was denn für Gerüchte?«
    »Die Leute sagen nämlich, du hättest deinen Hannes umgebracht.«
    »Oh«, entfuhr es Klara nur, woraufhin sie einen fragenden Blick von Raúl erntete.
    »
Wir
glauben das natürlich nicht«, beeilte Antonia sich zu versichern.
    Klara übersetzte für Raúl. Zwischen den beiden entspann sich eine lebhafte Diskussion, die Antonia und Konrad mit großen Augen verfolgten. Sie waren gefesselt von Klaras Portugiesischkenntnissen.
    »Diese Christel war es. Ihr stand die Schuld doch ins Gesicht geschrieben«, behauptete Raúl. »Du musst das den Behörden melden, wenn du dich selber endgültig von jedem Verdacht reinwaschen willst.«
    »Erstens wissen wir es nicht mit Bestimmtheit. Aber selbst wenn es so wäre, würde ich Christel nicht den Behörden ausliefern. Sieh doch: Hannes tot, ich halbtot im Rio Paraíso, wo du mich gefunden hast. Es hätten Tage, wenn nicht Wochen vergehen können, bevor jemand zu uns gekommen wäre. Hildchen verdankt Christel ihr Leben.
Ich
verdanke Christel mein Leben, denn ohne Hildchen wäre es nichts mehr wert gewesen. Und deshalb werde ich es ihr nicht damit vergelten, dass ich sie ins Zuchthaus werfen lasse.«
    »Worüber streitet ihr?«, wagte Antonia sich einzumischen.
    »Ach, nichts.«
    »Na dann.« Antonia sah munter in die Runde. »Ich bereite dann mal das Abendbrot vor.«
    Damit war das Thema erledigt, und alle Anwesenden waren froh darüber.
    Nach dem Essen zogen sich alle zeitig auf ihre Zimmer zurück.
    »Nacht«, verabschiedete Konrad sich.
    Seine Frau war etwas gesprächiger. »Ich hoffe, dass diese Nacht ruhiger wird als die letzte.« Klara errötete, aber zum Glück merkte es niemand außer Raúl. »Die blöde Kiste, in der Konrad seine Spielkarten und Würfel und Dominosteine aufbewahrt, scheint heruntergefallen zu sein. Heute Morgen lagen alle Spielsteine auf dem Boden. Er hat sie wahrscheinlich etwas kippelig auf der Truhe stehenlassen, nachdem er am Abend die Würfel geholt hatte. Ich erlaube nämlich nicht, dass der Knobelbecher hier unten steht, wo er die Männer auf falsche Gedanken bringt. Na, ihn auf den Dachboden zu verdammen hat ja anscheinend nicht viel geholfen. Dass die Männer aber auch beim kleinsten geselligen Anlass knobeln müssen … Tut mir leid. Ich hoffe, ihr seid davon nicht aufgewacht.«
    Klara fühlte ein Glucksen in ihrer Kehle aufsteigen, das sich zu einem lauten Lachen auswuchs. Sie konnte gar nicht mehr aufhören damit. Sie hielt sich den Bauch und lachte aus voller Kehle, bis ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »So komisch ist das ja nun auch wieder nicht«, meinte Antonia.
    »Doch, ist es«, brachte Klara nach Luft schnappend hervor.
    »Und ihr: Seid ihr denn nicht von dem Lärm aufgewacht?«, fragte sie, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte.
    »Nein. Wir schlafen vorne raus, da bekommt man gar nicht mit, was im hinteren Teil des Hauses passiert.«
    »Tja«, sagte Klara, nun wieder vollkommen ernst, »dann wollen wir hoffen, dass nichts Schlimmeres passiert und ihr es nicht hört.«
    »Ja. Hoffen wir es. Schlaf gut, Klärchen.«
    »Du auch. Gute Nacht.«
    Ähnlich wortkarg wünschten Raúl und Klara einander eine gute Nacht, als sie im Flur standen und jeder im Begriff war, seine Kammer zu betreten. Beide schliefen schlecht, wälzten sich in ihren

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