Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen am Rio Paraíso

Das Mädchen am Rio Paraíso

Titel: Das Mädchen am Rio Paraíso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
und sie hatten nichts Verbotenes vor, dennoch mussten sie sich davonstehlen wie zwei Missetäter, die einen verbrecherischen Plan ausheckten. Nun, gestand sie sich schließlich ein, ganz von der Hand zu weisen war das nicht. Insgeheim hoffte sie, dass es beim Reden nicht bleiben würde.
    In der vorletzten Nacht waren Gefühle und Gelüste in ihr zum Leben erweckt worden, die sie verschüttet geglaubt hatte. Sie hatte ein so unbändiges Verlangen danach, Raúl zu berühren, von ihm berührt zu werden, dass sich ihr Herz vor Sehnsucht verkrampfte. Ob er sie hierhergefahren hatte, um sie zu verführen? Sie hoffte es. Sie fürchtete sich zugleich davor. Und sie sagte sich, dass das nicht sein konnte und durfte. Und das nicht nur, weil Joaninha mitgekommen war. Noch einmal würde sie ihrer Begierde nicht nachgeben – jedenfalls nicht, solange er sich ihr nicht erklärt hatte. Hatte er ihr auch nur ein einziges Mal gesagt, dass er sie liebte? Nein. Und wahrscheinlich tat er es auch gar nicht. Er war nur fasziniert von ihrer Fremdartigkeit, nichts weiter. Die würde sich im Laufe der Zeit abnutzen. Genau wie die Wollust, die aus seinen Blicken sprach.
    Raúl empfand, genau wie Klara, die ganze Situation als lächerlich. Es war vollkommen absurd, wegen eines Spaziergangs, bei dem sie sich ungestört unterhalten konnten, ein solches Theater zu machen. Und zwar nur, weil der Herr Pfarrer sein, Raúls, Aussehen als bedrohlich bezeichnet und ihn vor den abergläubischen Leuten zum Antichrist erklärt hatte. Aber was hätten sie sonst tun sollen? Sie hätten sich natürlich in der Gaststube vor aller Augen auf Portugiesisch unterhalten können. Aber das wäre seiner Meinung nach für Klaras Ruf noch schädlicher gewesen. Man würde ihr Prahlerei vorwerfen, wenn nicht gar ihr unterstellen, dass sie schlecht über die Anwesenden redete und sie noch obendrein verhöhnte, indem sie es öffentlich tat, nur eben in einer Fremdsprache.
    Im Grunde konnte ihm Klaras Ruf in der Colônia gleichgültig sein – er hatte eh nicht vor, sie hier zurückzulassen. Sie würde mit ihm kommen, seine Frau werden und nie wieder einen Fuß in dieses armselige Dorf oder auf ihr gottverlassenes Grundstück setzen. Er würde ihr hundertmal mehr bieten, als sie sich hier je erarbeiten konnte. Er würde sie lieben und ehren und ihre Tochter als die seine betrachten. Sie würden weitere Kinder bekommen, jede Menge davon, wenn man von der stürmischen Gier ausging, mit der sie beide einander geliebt hatten. Meine Güte, war das erst vorletzte Nacht gewesen? Er fühlte sich wie ein Süchtiger, dem das Rauschmittel entzogen worden war und der an nichts anderes denken konnte. Er wäre am liebsten sofort wieder über sie hergefallen. Aber das würde er sich diesmal verkneifen. Er würde über seinen Schatten springen und aussprechen, was er für sie empfand. Denn es war durchaus nicht nur Lust. Die konnte er auch woanders befriedigen.
    Er liebte Klara. Er liebte ihre Bodenständigkeit, ihre schnelle Auffassungsgabe, ihre natürliche Art. Er liebte es, wie unkompliziert sie mit den Sklaven umging und wie unaffektiert sie seine vornehmen Gäste bei der
festa junina
begrüßt hatte. Er liebte ihre Körperbeherrschung, die sie beim Reiten unter Beweis gestellt hatte, und ihre Anmut, die sie beim Tanz gezeigt hatte. Er liebte ihre Sanftmütigkeit und ihren Durchsetzungswillen gleichermaßen. Es war eine hinreißende Kombination. Welche andere Frau war so freundlich und umgänglich und ausgeglichen, marschierte dann aber ganz allein durch eine fremde Stadt, um sich selber der Polizei zu stellen? Er liebte ihren Mut und ihre Stärke.
    Und natürlich liebte er ihr Äußeres, ihren Körper sowie ihre Fähigkeit zur vollkommenen Hingabe. Er war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen, der ihr Aussehen im Augenblick der Vereinigung so gleichgültig gewesen war. Eine wie Josefina würde sich doch sogar in einem solchen Moment noch um ihre Frisur sorgen. Klara war ihm, mit Nachthaube und unförmigem Nachthemd, schöner erschienen als je zuvor.
    Er vertrieb all die sinnlichen Bilder von ihr, die sich in seinem Kopf breitmachten, Bilder von ihrem Gesicht, als sie in vollkommener Verzückung aufgeschrien hatte, Bilder von ihrem Körper, der sich mit dem seinen in absolutem Gleichklang befunden hatte –
ai, Clarinha, meu amor ….
    Oh nein. Er würde sich zurückhalten. All diese Dinge würde er ihr
sagen,
mit Worten, wohlgemerkt. Die Sprache seiner Blicke und seiner

Weitere Kostenlose Bücher