Das Mädchen am Rio Paraíso
Gesten reichte ja offenbar nicht aus, um sie verstehen zu lassen. Er musste es aussprechen, so schwer es ihm auch fiel.
»Senhor Raúl? Um Himmels willen, Sie wollen mich doch nicht etwa hier allein lassen?« Joaninha blickte ängstlich ihren Herrn an, der mittlerweile vom Wagen gestiegen war, Klara heruntergeholfen hatte und nun nicht so wirkte, als wolle er auf sie warten. Im Gegenteil, er schien sich schnellstens gemeinsam mit Klara von dannen machen zu wollen.
»Wir gehen nur ein bisschen spazieren. In zehn Minuten sind wir wieder da. Wenn jemand kommt, tust du so, als würdest du nichts verstehen und nichts wissen.«
»Da brauche ich nicht groß so zu tun. Aber … was mache ich denn, wenn ein Löwe kommt?«
»Es kommt kein Löwe, das garantiere ich dir. Halt einfach nur die Stellung. Oder möchtest lieber du einen Spaziergang durch den Dschungel unternehmen und Dona Klara und mir den Wagen überlassen, damit wir uns endlich einmal in Ruhe unterhalten können?« Klara flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf Raúl sich noch einmal umdrehte, dem Mädchen seine Pistole reichte und sagte: »Falls dich jemand oder etwas angreift, schießt du.«
Joaninha war entsetzt über die Tatsache, dass es anscheinend doch gefährliche Wesen hier im Wald gab, denn sonst hätte Senhor Raúl ihr wohl kaum die Waffe gegeben. Zugleich war sie sehr stolz auf diesen außerordentlichen Vertrauensbeweis. Sie hätte mit dem Wagen und der Pistole ja auch davonfahren können. Sie hatte von Sklaven gehört, denen die Flucht mit sehr viel weniger Hilfsmitteln geglückt war. Sie blieb also schweigend in dem Wagen sitzen und beobachtete das schöne Paar, das sich da vor ihren Augen ins Gebüsch begab. Schamlos, also wirklich!
Raúl und Klara entfernten sich nicht weit vom Wagen. Auch gingen sie nicht ins Unterholz, sondern hielten sich auf der schmalen Grenzlinie zwischen dem Maisfeld und dem Maniokacker der Ungerers. Als sie außer Sichtweite sowohl des Wagens als auch des Hauses waren, hielt Raúl abrupt an.
Er ergriff beide Hände Klaras, blickte ihr tief in die Augen und nahm all seinen Mut zusammen, um zu sagen, was zu sagen er sich vorgenommen hatte.
»Du bist die schönste, klügste und wundervollste Frau, die mir je begegnet ist. Bleib bei mir, Klara. Werde meine Frau.« Schon als er die Worte aussprach, kamen sie ihm hölzern und falsch vor. Aber was sonst hätte er sagen sollen?
Er sah, dass ihre Augen feucht wurden und ihre Lippen bebten. Er sah auch, dass sie nicht vor ihm weinen wollte und mit Mühe die Tränen zurückhielt. Jesus, was hatte er falsch gemacht?
»Du bist auch der wundervollste Mann, der mir je begegnet ist«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Aber … es geht nicht. Wir passen nicht zusammen.« Sie senkte den Kopf und entzog ihm ihre Hände.
»Wir passen nicht zusammen? Was für ein Unsinn!« Er umfasste mit einer Hand ihr Kinn und zwang sie, ihren Kopf zu heben. »Sieh mir in die Augen und sag es noch einmal.«
Sie schaute ihn an. Es war eine Spur von Trotz in ihrem Blick zu lesen, als sie sagte: »Wir gehören nicht zusammen. Du hast deine Welt, ich meine. So soll es bleiben.«
Sein Gesicht kam dem ihren immer näher. Als seine Lippen ihre fast berührten, flüsterte er: »Gleich wirst du fühlen, wie gut deine und meine Welt zusammenpassen.«
»Nein!« Sie stieß ihn von sich fort. »Unser Fleisch passt zusammen, aber sonst nichts. Du liebst mich ja noch nicht mal!«
Hatte sie ihm nicht zugehört? Hatte er ihr nicht gerade eben gesagt, wie sehr er sie vergötterte? Würde er etwa um die Hand einer Frau anhalten, die er nicht liebte? Er starrte sie an, fassungslos über diese Begriffsstutzigkeit und verletzt über die Zurückweisung. Was sollte er denn noch tun? Ihr dasselbe noch einmal mit abgedroschenen Phrasen erklären? Nun ja, warum nicht? Zu verlieren hatte er ja nichts.
Er ergriff ihre Hände und bedachte sie mit dem unterwürfigsten Blick, dessen er fähig war. »
Cara Clara,
ich liebe dich von ganzem Herzen und möchte dich bitten, mir zu erlauben, es auch für den Rest meines Lebens zu tun. Willst du meine Frau werden?«
Sagte man das so? Hatte er alles richtig gemacht? War er nicht wieder in ein Fettnäpfchen getreten, ohne es zu ahnen? Wieso antwortete sie nicht?
Sie schaute ihn nachdenklich an, als sei sie sich nicht sicher, ob er es ernst meinte. Er verzog die Lippen zu einem ironischen Grinsen, das sie mit einem Stirnrunzeln beantwortete. »Habe ich vielleicht zu dick
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