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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erschüttert. »Sie war eine schöne Frau.«
    »Ein Satan war sie!« schrie Frank. »Aber ich liebe die Hölle, weil sie Narriman ausgespuckt hatte.« Er sah sich zu Schumann um, der die Nachricht vom Tod Narrimans noch immer nicht glauben konnte. Es gibt Menschen, bei denen man sich nicht vorstellen kann, daß sie nicht mehr am Leben sind.
    »Schumann, haben Sie einen Gin oder Whisky hier?«
    »Ein Glas Limonade.«
    »Sie Witzbold!« Frank drückte die Stirn gegen die Trennwand. Er zitterte wie im Fieber. »Als ich vor Narrimans verkohlten Resten stand, da habe ich mir überlegt: Wie geht es weiter? Ich sagte einmal, daß ich ein Feigling bin! Das stimmt nicht! Das habe ich mir eingeredet, um in Narrimans Nähe zu bleiben. Ich habe meine verfluchte Moral mit einer Lüge niedergehalten. Doch nun ist Narriman für immer fort …« Er fuhr herum, und seine Augen, wenn auch rot umrändert, hatten einen anderen, wacheren Blick. »Schumann, wissen Sie, daß ich Leutnant war? Mit zwanzig Jahren Leutnant in Rußland? Notabitur, Ausbildung in Eberswalde, Fähnrich mit Frontbewährung, dann Leutnant. Wissen Sie, daß ich junger Hüpfer mit dreiundzwanzig Jahren einen Brückenkopf allein mit zehn Mann gehalten habe, 1944 am Dnjepr, und daß man mich einen Helden nannte und mir das Deutsche Kreuz in Gold an die Brust heftete? So war ich einmal, und so bin ich eigentlich immer geblieben, nur Narriman machte mich zum Affen, der mit Kopfstand Zückerchen nimmt. Aber jetzt ist das vorbei. Jetzt geht es nicht mehr!« Er brüllte plötzlich und ballte die Fäuste. »Jetzt brauche ich kein Feigling mehr zu sein.«
    »Was wollen Sie tun, Frank?«
    »Ich sprenge die Labors in die Luft! Ich mache tabula rasa! Ich nehme Rache für die Zerstörung meiner Persönlichkeit!«
    Dr. Schumann schüttelte den Kopf. Er verstand Franks Ausbruch. Es war, als ob Schleusen geöffnet würden, und nun stürzten die Wasser talwärts mit Getöse und Schaum.
    Aber was nutzte es? Sie waren in Amman. Jordanische Soldaten bewachten sie. Die Grenzen waren gesperrt. Eine Flucht war Selbstmord. Und es gab Hussein ben Suleiman, einen Menschen von bestrickender Höflichkeit und grausamster Kälte. Er war die große Spinne, in deren Netz sie alle hingen. Auch Narriman war nur ein Opfer gewesen, das andere Opfer anlockte. Es änderte sich gar nichts mit Narrimans Tod. Gar nichts!
    Im Garten, vor den Fenstern, hörte man plötzlich Lärm. Stimmen und Klappern von Schaufeln, eine schreiende Stimme übertönte alles. Es schien Streit zu geben. Plötzlich sangen ein paar Männer.
    »Was ist denn da los?« fragte Schumann. Er hatte Frank zum Diwan geführt und ihm ein Glas Orangensaft in die Hand gedrückt.
    Ariela sah hinaus. »Gärtner«, sagte sie. »Sie pflanzen Sträucher. Vier schmutzige Burschen.«
    Der Gesang brach ab. Irgendwo hackte jemand Holz. Und dann war da auf einmal eine Stimme, nicht sehr schön, aber deutlich, und sie sang ein Lied, das in Ariela hineinfuhr wie ein glühendes Schwert.
    »Mein Kinderlied …«, flüsterte sie. »Peter … da singt einer mein Kinderlied. Auf jiddisch … Hörst du …«
    »Das ist doch unmöglich!« Schumann hielt den Atem an. Und jetzt war es ganz deutlich … eine schwermütige, wiegende Weise.
    »Es ist das Lied!« stammelte Ariela. »Einer von den Gärtnern singt es! Und das mitten in Jordanien!« Sie stieß sich von der Mauer ab und rannte zum Fenster des Balkons. Schumann sah ihr nach, und er war wie vor den Kopf geschlagen, als sie die Arme hochriß, sich an die Gitter klammerte und »Moshe! Moshe!« rief.
    »Was ist denn los?« fragte Frank.
    Schumann trat schnell in den Raum zurück. »Ich glaube, mein Lieber«, sagte er mit belegter Stimme, »daß man in wenigen Minuten von uns verlangt, mutig, verflucht mutig zu sein …«
    Rishon hatte seine Strickleiter in die Höhe geworfen und um einen Mauervorsprung gelegt. Schon der dritte Wurf gelang. Er hatte es lange genug im Hof von Mohammeds Haus geübt, wo aus dem oberen Fenster eine Eisenstange gehalten wurde. Um sie warf er die Strickleiter und kletterte hinauf, während unten Hauptmann Haphet mit einer Stoppuhr stand.
    Nun lief alles mit militärischer Präzision ab. Hauptmann Haphet unterstützte den jungen Leutnant Gideon beim Pfähleanspitzen, um die Wachen zu beobachten und notfalls in Schach zu halten, während der andere Leutnant die Maschinenpistole nahm und hinter der mitgebrachten Palme in Deckung ging. Rishon kletterte wie ein alter Matrose die

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