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Das Mädchen Ariela

Das Mädchen Ariela

Titel: Das Mädchen Ariela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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israelischen Behörden sicherer sei, in Jerusalem zu bleiben und bei Bedarf den Luftschutzkeller aufzusuchen, als ungedeckt durchs Land zu fahren. »Bin isch nach Israel jekommen, um wieder im Bunker zu hocken? Dat hab isch sechs Jahre lang jetan.«
    Er sah hinüber zu Johann Drummser, der mißmutig hinter einem Bier saß. Es war englisches Ale. Für einen Bayern schmeckt es wie aufgekochtes Zuckerwasser, in das man Rübenkraut gerührt hat.
    Drummser nickte. »I hob zahlt für an Ausflug!« schrie er. Die drei Schwestern zuckten zusammen. Sie lasen gerade in ihrem Gebetbuch.
    »Wos is nachher, wenn's schiaßn?«
    »Der Luftschutzkeller ist sicher, meine Herrschaften.« Reiseleiter Hopps machte ein unglückliches Gesicht. Ihn traf der Zorn, und er hatte doch alles versucht, um noch zurück an die Küste zu kommen.
    Noch glaubte keiner an den Krieg … aber wenn man von der Hotelterrasse hinüberschaute zur Altstadt und in die Straßen Jerusalems, sah man eine Frontstadt, in der die militärische Uniform vorherrschte.
    »Luftschutzkeller! Jo, sag amal, hob i zahlt für in 'n Keller zu hocken? Und dös Bier is a G'söff! O mei, wenn oana scho zu dene Judn reist …«
    Am Abend des 4. Juni aß man noch gemeinsam im Hotel, saß dann auf der Terrasse, sah auf die Altstadt mit Grabeskirche und Haram-Es-Sherif-Moschee, trank den herrlichen Wein Ashgelon rose – »Is a g'färbter Essig!« murrte Drummser – und ließ sich von Reiseleiter Hopps erklären, was man hätte sehen können, wenn man am Ende der Reise durch das Mandelbaumtor nach Jordanien gefahren wäre. Die beiden Studienräte machten sich Notizen und fotografierten. Die Schwestern lauschten mit gefalteten Händen. Ihnen genügte es jetzt, daß sie die Grabeskirche sahen, daß die Luft, die um ihre Kuppeln und Türme strich, auch zu ihnen herüberwehte.
    »Sense!« sagte Willi Müller, als es dunkel wurde. Jerusalem versank in der Nacht. Verdunkelung war angeordnet. »Wie 1939! Papier vor die Fenster! Und dafür bezahle ich jetzt so viel Geld! Wer spielt auf'm Zimmer en Ründchen Skat?«
    Im Morgengrauen heulten die Sirenen über Jerusalem. Vom Allenbyplatz und am Mandelbaumtor knatterten Maschinengewehre. Dazwischen hörte man die dumpfen Einschläge der Granaten und das Zerplatzen der Gewehrgranaten und Minen. Über die Stadt donnerten Flugzeuge, die Flak schoß.
    Über die Flure und Treppen des Hotels rannten die Gäste, mit den Lifts und Lastenaufzügen fuhren sie in den Luftschutzkeller. Angela und Edwiga trugen Schwester Brunona mit einem Stuhl zum Lift. Die beiden Studienräte und die Fürsorgerin aus Hameln waren in korrekter Kleidung, als hätten sie angezogen auf diesen Alarm gewartet.
    Müller aus Köln rannte in Hose und Hemd ins Nebenzimmer, wo Johann Drummser auf der Bettkante saß und sich die Brust kratzte.
    »Die machen Krieg!« rief Müller. »Die machen dat wahr! Junge, dat is wat!«
    Er setzte sich an den Tisch und schaltete die Notbeleuchtung ein, die aus einer schwachen Birne bestand. Johann Drummser zog sich umständlich an, er hatte großen Durst. Der Wein hatte in ihm die Sehnsucht nach Bier geweckt.
    Es klopfte. »Herein!« rief Willi Müller. In der Tür stand der junge Harald Freitag. Er war ein wenig verstört und schleppte sein ganzes Gepäck mit sich.
    »Sie schießen!« sagte er. »Der Portier sagt: Es ist Krieg. An der Mauer wird gekämpft. Hören Sie – das sind Kanonen …«
    »Na und?« Willi Müller lächelte mitleidig. »Regt Sie dat auf? Dat haben wir sechs Jahre lang jehört, wat, Herr Drummser? Quer durch Polen, wie'n Wind, dann Rußland … Winter 1942, dat war wat, wat? Da wurde dat Jefrierfleisch erfunden, Junge. Aber lebend! Und dann die Rollbahn … Smolensk … In Moskau machten die sich schon in die Hose! Jawoll, unser alter Guderian! Unser Kommandeur, Oberst Vietzheim, immer mit Witz! Winter 42, keine Munition an der Front. Die Züge blieben einfach stecken …«
    Er lauschte nach draußen, wo heftiges Geknatter zu hören war. »Zwei deutsche MG 42 … ratatatat … und der Krieg ist hier gewonnen. Wat, Herr Drummser?«
    Harald Freitag setzte sich zögernd. Er wollte nicht feig erscheinen. Es war sein erster Krieg, und er hatte gelernt, daß Krieg etwas Fürchterliches, etwas Gemeines, etwas abgrundtief Schmutziges war. Er sah die beiden älteren Reisegefährten an und verstand nicht, wieso sie so merkwürdig fröhlich waren. Drummser holte sogar seine große Reisekarte von Israel und Umgebung und breitete sie

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