Das Mädchen Ariela
Narriman kalt.
»Dann müssen Sie innen ein Vulkan sein! Was tun Sie mit Ihrer Liebe?«
»Ich wandle sie in Haß um. Das ist ein wunderbarer Prozeß, der mich befriedigt.« Sie sah Mahmud über den Tassenrand hinweg forschend an. »In dem Kaffee ist kein Gift?«
»Aber Narriman!« Mahmud goß sich aus derselben Kanne ein. »Ich trinke mit Ihnen. Eigentlich sollte Gift darin sein, denn es wäre ein einmaliges Vergnügen, mit Ihnen zusammen zu sterben.«
Narriman trank den glühendheißen Kaffee mit kleinen Schlucken. Er war mit Rosenöl gesüßt und dick wie Sirup.
»Ein guter Kaffee!« lobte Mahmud. »Gebraut nach dem alten Gesetz der Türken: Schwarz wie die Nacht, heiß wie die Hölle, süß wie die Liebe!«
»Bleiben wir bei der Hölle, Mahmud.« Narriman setzte die Tasse ab. »Was haben Sie sich eigentlich gedacht, als Oberst Kemal umfiel und unter schrecklichen Krämpfen starb?«
»Nichts. Ich war nicht im Saal.«
»Sie sind fortgelaufen, weil Sie nicht mit ansehen wollten, wie Ariela getötet wurde, die den Kaffee trinken sollte.«
»Sie reden ein komplettes Märchen zusammen!« Mahmud lachte etwas unsicher. Seine dunklen Augen wurden stechend. Ist sie deswegen gekommen? dachte er. Was will sie von mir? Warum kommt sie dann allein? Durch ein Zeichen des Eunuchen hatte er erfahren, daß Narriman von niemand begleitet worden und auch im weiten Umkreis in der Wüste kein anderer Wagen zu sehen war.
»Suleiman hat mich beauftragt, den Mörder Kemals zu suchen. Sie kennen mich, Mahmud.«
»Und wie ich Sie kenne, Narriman!«
»Ich weiß, wer der Mörder ist.«
»Dazu darf man gratulieren.« Mahmud goß neuen Kaffee ein. Er nahm dazu eine neue Tasse, und weil Narriman sein starres Gesicht beobachtete, entging ihr dieser Wechsel. »Hat er gestanden, meine Beste?«
»Ist das nötig?«
»Bei Ihnen nicht. Ich weiß. Beweise?«
»Genug. Der Barmixer, der an diesem Abend bei Suleiman für die Getränke sorgte, auch für den Kaffee, ist gefunden worden.«
»So ein kleiner, dreckiger Wüstenfloh! Warum wollte er morden?«
»O Mahmud, er hat nur den vergifteten Kaffee hingetragen. Ein anderer tat das Gift hinein. Der arme, kleine, dreckige Sandfloh, wie Sie ihn nennen, hat gestanden. Denken Sie sich … man hat ihn bis zum Hals in den Wüstensand eingegraben und dann seinen Kopf mit Wasser begossen. Bevor er platzte, bei fünfzig Grad Hitze, schrie er alles heraus! Auch den Namen des Mörders.«
»Die guten alten Methoden.« Mahmud lächelte böse. »Schon Harun al Raschid verhörte seine Gefangenen auf diese Art. Trinken wir noch ein Täßchen, Narriman.« Er hob seine Tasse hoch. »Auf den Mörder.«
»Auf seinen verdienten Tod!«
Wieder war nur das Schlürfen zu hören. Erst als die Tassen leer waren, setzten sie sie ab. Es war wirklich ein köstlicher Trank, er belebte die Geister, er machte das Herz so heiß, daß man die Hitze von außen nicht spürte.
»Und was geschieht nun?« fragte Mahmud. Er winkte. Der Obereunuch räumte den kupfernen kleinen Tisch mit dem Kaffeegeschirr weg. »Brauchen Sie meine Hilfe, Narriman?«
»Ja«, sagte sie hart. »Ich habe Sie nie für einen überragenden Geist gehalten. Ihnen lagen Geschäfte näher als nationale Interessen.«
»Das ist natürlich! Ich bin ein Händler! Nur durch meinen Tunnel, den ich für mich anlegte, um Waren zu schmuggeln, wurde ich mit dem Geheimdienst bekannt. Man hat mich ausgenutzt. Aber das ist nun vorbei.«
»Jetzt haben Sie zum erstenmal recht, Mahmud.« Narriman erhob sich. »Das ist nun vorbei.« Sie stand vor ihm. Mahmud blieb sitzen und lächelte sie freundlich an.
Er sah, wie sie eine kleine Pistole aus der Tasche des Kleides zog und den Sicherungsflügel mit dem Daumen wegdrückte. Er sah aber auch, wie ihre Augen zu rollen begannen und ihre Beine plötzlich zitterten.
Man kann ein Idiot sein, dachte er zufrieden. Aber man ist ein Genie, wenn man präparierte Tassen servieren kann! Was nutzt aller Geist, wenn ein bißchen Pulver im heißen Kaffee alles gegenstandslos werden läßt?
»Suleiman will einen Prozeß vermeiden«, sagte Narriman. Ihre Zunge war merkwürdig schwer, die Worte kullerten im Gaumen, ehe sie sie aussprach.
»Kein Aufsehen – Sie wissen ja, Mahmud, worum es geht. Wir wissen auch, daß Sie ein Feigling sind. Darum übernehme ich die Interessen des Staates.«
Sie hob die Pistole, doch sie war jetzt so schwer wie eine Kanone. Ihr Arm fiel herab, verwundert starrte sie Mahmud an, der sich eine Zigarette
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