Das Mädchen auf den Klippen (German Edition)
hinuntergelaufen.“
„Das seltsame ist nur, er kann seine Tochter nicht schreien gehört haben“, wandte Mrs. Turner ein, „denn die Bucht, in der seine Frau ermordet worden ist, liegt viel zu weit vom Haus entfernt. Die beiden sind dort oft hingegangen, um zu spielen oder zu lesen.“
„Wie dem auch sei, als Mr. Winslow in die Bucht kam, fand er seine Frau ermordet vor. Maureen lag bewusstlos im Eingang einer der Höhlen. Der Täter hat sie erst gewürgt und danach wie einen leblosen Gegenstand aus einiger Entfernung auf den Felsboden geworfen. Vermutlich hat er die Kleine für tot gehalten.“
„Wie entsetzlich.“ Janice spürte, wie eine eisige Kälte durch ihren Körper kroch. „Hat man den Mörder finden können?“ Sie fragte nicht danach, ob Joan vergewaltigt worden war, sie nahm an.
„Nein, dieser Kerl ist nie gefunden worden“, erwiderte Mrs. Carter. „Vermutlich ist es einer der Fremden gewesen, die jeden Sommer an unsere Küste kommen.“
„Es gibt auch Leute, die überzeugt sind, dass es jemand aus Saint Vincent gewesen ist“, wandte Mrs. Tu rner ein.
„Unsinn, Maggie, keiner aus dem Dorf tut so etwas“, erklärte die Ladenbesitzerin kategorisch. „Außerdem solltest du nicht vergessen, dass auch damals dieser Zirkus ganz in der Nähe unseres Do rfes seine Zelte aufgeschlagen hatte. Und bei Zirkusleuten weiß man ja nie. Sie...“
„Man hat sie sehr genau überprüft“, warf eine der anderen Kundinnen ein. „Scheinbar konnte man keinem der Männer eine Schuld nachweisen."
„Was nicht unbedingt heißen muss, dass Sie unschuldig waren“, sagte Mrs. Carter. Sie wandte sich an Janice: „Hoffentlich verleidet Ihnen diese Geschichte jetzt nicht die Freude an Ihrem Haus.“
„Nein, bestimmt nicht, auch wenn sie mich traurig stimmt“, antwortete die junge Frau. Ihr fiel das kleine Mädchen ein, das sie jetzt schon zweimal am Strand gesehen hatte. Sie fragte die Frauen danach, ob eine von ihnen es kannte.
„Nein.“ Mrs. Turner schüttelte den Kopf. „Wer lässt denn ein kleines Kind allein unten am Strand spielen? Davon abgesehen, lange blonde Haare, geblümtes Kleid und Strickjacke, diese Beschreibung passt auf viele Kinder.“
„Das Kind könnte Urlaubern gehören. Unter ihnen gibt es die absonderlichsten Leute“, meinte Mrs. Turner. „Wenn ich an diese Frau denke, die sich seit fünf Jahren jeden Sommer bei Maud Bloom einmietet. Es...“ Sie schwieg, weil sich die Ladentür öffnete und ein junges Paar eintrat, denen man die Touristen schon von weitem ansah.
Janice verabschiedete sich, nahm ihre Einkäufe und beschloss, in dem einzigen Gasthaus, das St. Vincent besaß, eine Tasse Tee zu trinken.
Die ‚Arche‘ lag etwas abseits der anderen Häuser auf einer mit Gras bewachsenen Klippe. Von außen wirkte das Haus mit seinen grauweißen Mauern, dem roten Dach und der breiten Terrasse, die auf das Meer hinau sging, äußerst einladend.
Ein mit Kies bestreuter Weg führte durch den Vorgarten, in dem Rhododendron, Jasmin und Oleander blühten. Kurz vor dem Haus teilte er sich. Janice folgte dem Schild, das zum Eingang des Gasthauses wies. Der zweite Teil des Weges lief um das Haus herum.
Auf der Terrasse saßen nur ein paar Leute. Die junge Frau wählte einen Tisch, der direkt an der Brüstung stand. Sie schaute zu dem kleinen Fischerhafen hinunter, der noch davon zeugte, dass die meisten Menschen in diesem Dorf vom Fischfang lebten. Der Badestrand lag ein paar Meter hinter einer Klippe verborgen.
Erst nach einer Weile wurde sich Janice bewusst, dass man von der Terrasse der ‚Arche‘ bis zu ihrem Haus sehen konnte. Mit einem Fernglas würde man jede Bewegung in ihrem Garten beobachten kö nnen.
Eine ziemlich verhärmt wirkende Frau trat an ihren Tisch und fragte nach ihren Wünschen. Janice bestellte sich Tee und Shrewsbury Biskuits. Es dauerte keine zehn Minuten, bis alles vor ihr stand.
„Die Biskuits sind ganz frisch“, bemerkte die Frau. „Ich habe sie erst vor zwei Stunden gebacken.“
„Sie sehen auch wirklich appetitlich aus“, lobte Janice und stellte sich vor. „Ich habe das Seerose House gekauft“, fügte sie hinzu. „Vermutlich werde ich öfters in Saint Vincent sein.“
„Ich bin Mrs. Anne Attard“, erwiderte die Frau. „Meinem Mann Brian und mir gehört die Arche.“ Sie musterte Janice. „Es ist lange her, seit Mister Winslow nach London gezogen ist.“
„Ich habe gehört, was mit seiner Frau und seiner Tochter passiert
Weitere Kostenlose Bücher